Letzter BGH-Beschluss zu den Voraussetzungen einer wirksamen Patientenverfügung:
BGH Beschluss vom 08.02.2017 XII ZB 604/15

Das Thema der Patientenverfügung ist ein sehr aktuelles, dementsprechend findet sich gerade im Internet eine überbordende Fülle an Informationen.
Der Bundesgerichtshof machte es juristischen und medizinischen Laien nicht gerade einfacher, als dort der Beschluss vom 08.02.2017 fiel.
Durch diesen Beschluss werden tausende von Patientenverfügungen unwirksam und müssen jedenfalls dringend anhand der neuen Maßgaben überprüft werden.

Was ist entschieden worden?

a) Eine Patientenverfügung entfaltet nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn sie neben den Erklärungen zu den ärztlichen Maßnahmen, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, auch erkennen lässt, dass sie in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen soll.
b) Die schriftliche Äußerung, dass “lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben” sollen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen.
c) Die erforderliche Konkretisierung kann sich im Einzelfall auch bei nicht hinreichend konkret benannten ärztlichen Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Der Wille des Errichters der Patientenverfügung ist dann durch Auslegung der in der Verfü- gung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 6. Juli 2016 – XII ZB 61/16 – FamRZ 2016, 1671).

Welcher Fall lag dem Beschluss zugrunde?

Eine Frau war ins Wachkoma gefallen. Das Gericht setzte auf Antrag ihres Sohnes diesen als gesetzlichen Betreuer ein, der Ehemann wurde zum Ersatzbetreuer bestimmt.
Die Frau hatte eine Patientenverfügung und schon mehrfach geäußert, dass sie unter bestimmten Umständen keine weiteren lebenserhaltenden Maßnahmen mehr wolle. Auch nachdem sie so schwer erkrankt war, äußerte sie gegenüber einer Therapeutin während einer kurzfristig ansprechbaren Phase, dass sie sterben wolle.
Der Sohn wollte ihr diesen Wunsch erfüllen, der Ehemann aber stellte sich dem entgegen.

Wieso hat die Patientenverfügung der Frau in dieser Situation nicht geholfen?

Die Patientenverfügung ist das Mittel der Wahl, wenn man im Voraus für den Moment, in dem man das nicht mehr kann, verfügen will, welche medizinischen Maßnahmen vorgenommen werden sollen und welche man ablehnt.
Laut BGH konnte dies auch grundsätzlich aus der Verfügung der Frau heraus gelesen werden. Allerdings nur, wenn man die weiteren Umstände betrachtete. Aus der Verfügung selbst, war nicht unzweifelhaft festzustellen, welche Behandlungsmethoden die Frau für ihre jetzige Situation wünschte und welche sie ablehnte.

Was ist das Ergebnis der Rechtsprechung?

Das Ergebnis der Rechtsprechung besteht im Endeffekt in zwei wichtigen Punkten, die unbedingt in der Patientenverfügung benannt werden müssen:

  • Konkrete medizinische Behandlungsmethode
  • Konkrete medizinische Behandlungssituation

Das bedeutet, dass man seine persönliche Entscheidung zu den gewünschten bzw. abgelehnten Behandlungsmethoden auch immer in Zusammenhang und Abhängigkeit zur jeweiligen konkreten Behandlungssituation setzen muss.

Warum ist das für eine wirksame Patientenverfügung notwendig?

Viele Mandanten sind immer wieder stutzig, wenn sie erfahren, wie viele genaue Angaben man machen muss. Deshalb möchten wir erklären, warum die einzelnen Vorgaben möglichst konkret abgefasst werden müssen.
Der Grund liegt darin, dass die Patientenverfügung über das Leben und den Tod des Patienten entscheidet. Die Ärzte, die sich an einer Patientenverfügung orientieren, müssen sich darauf verlassen können, dass diese auch tatsächlich den Wunsch des Patienten so enthält, wie der Arzt ihn nun versteht.
Die Ärzte haben den Eid geschworen, das Leben zu erhalten. Nichtsdestotrotz sind sie auf die Einwilligung des Patienten auch in lebenserhaltende Maßnahmen angewiesen. Ansonsten könnten sie sogar strafrechtlich belangt werden. Wenn der Patient seine Einwilligung oder Ablehnung nicht mehr äußern kann und somit die Patientenverfügung greift, gilt diese als Ersatz der Einwilligung oder Ablehnung.
Ist die Patientenverfügung nicht konkret genug und daher möglicherweise mehrdeutig zu verstehen, können die Ärzte nicht anhand dieser handeln, da sie sich nicht darauf verlassen können, dass die Verfügung dem Willen des Patienten zu 100 % und in dieser konkreten Situation entspricht.

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Charlotte Herbertz
Rechtsanwältin für Erbrecht