BSG v. 07.11.2017 – B 1 KR 15/17 R

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil  v. 07.11.2017 – B 1 KR 15/17 R – Patientenrechte gestärkt.

Hintergrund der zugrunde liegenden Streitigkeit ist § 13 Abs. 3a SGB V.

Der Gesetzgeber hat durch diese Vorschrift sämtliche Krankenkassen dazu verpflichtet, beschleunigt über beantragte Heilbehandlungen zu entscheiden. Entscheiden Krankenkassen nicht binnen 3 Wochen nach Beantragung einer Behandlung, so tritt eine Genehmigungsfiktion ein. Der Versicherte darf sich behandeln lassen und die vorveraulagten Behandlungskosten von der Krankenversicherung erstatten lassen, unabhängig von der Frage, ob eine Behandlung medizinisch notwendig ist.

Bislang war jedoch umstritten, ob dies auch den Anspruch auf Krankenbehandlung selber betraf, wenn der Versicherte nicht die Mittel hatte, um die Behandlungskosten in Vorkasse zu zahlen. Teilweise wurde dies von den Landessozialgerichten im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut verneint.

Das Bundessozialgericht hat die Diskussionen beendet. Danach haben auch mittellose Versicherte einen Anspruch auf die Sachleistung in Form der Gewährung von Behandlungen. Zitat:

Gilt eine beantragte Leistung als genehmigt, erwächst dem Antragsteller hieraus ein Naturalleistungsanspruch als eigenständig durchsetzbarer Anspruch. Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl BSG Urteil vom 11.7.2017 – B 1 KR 26/16 R – Juris RdNr 12 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25). Ausdrücklich regelt das Gesetz, dass, wenn keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt, die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Wortlaut des § 13 Abs 3a S 6 SGB V dem Naturalleistungsanspruch nicht bloß nicht entgegen, sondern gebietet diesen sogar.

Darüber hinaus hat das Bundessozialgericht im Wesentlichen die Korrekturmöglichkeiten der Krankenkassen eingeschränkt. So kommt eine Aufhebung der fiktiven Genehmigung nur dann in Betracht, wenn der Leistungsempfänger ganz offenkundig nicht erwarten konnte, dass er Anspruch auf die Behandlung haben könnte. Zitat:

Es widerspräche der Regelung des § 45 Abs 1 SGB X, für die Rücknahme einer nach § 13 Abs 3a SGB V fingierten Genehmigung nicht auf deren Voraussetzungen abzustellen, sondern auf die Voraussetzungen des mit dem ursprünglichen Leistungsantrag Begehrten. Dafür fehlt ein tragfähiger Grund. Soweit die Beklagte meint, es sei erheblich, ob die fingierte Genehmigung im Widerspruch zum materiellen Recht hinsichtlich der Voraussetzungen des mit dem ursprünglichen Leistungsantrag Begehrten stehe, verkennt sie, dass auch die Regelung des § 13 Abs 3a SGB V zum materiellen Recht gehört. Sie hat nämlich materiell-rechtliche genehmigte Leistungsansprüche zum Gegenstand. Eine Abkehr von der Regelung des § 45 Abs 1 SGB X ist damit nicht zu rechtfertigen.

Dies bedeutet in der Konsequenz, dass die einmal verpasste Entscheidungsfrist von 3 Wochen nach § 13 Abs. 3a SGB V von der Krankenkasse praktisch nicht mehr heilbar ist und weitergehende Ansprüche für Patienten vermittelt, als vor der hier besprochenen Entscheidung.

Haben Sie eine Heilbehandlung beantragt und gehen davon aus, dass die 3-wöchige Entscheidungsfrist verletzt wurde? Weigert sich die Krankenkasse trotz der fiktiven Genehmigung des § 13 Abs. 3a SGB V die Bewilligung der Heilbehandlung oder die Kostenerstattung? Rufen Sie uns an unter 0211.5858990 oder schreiben Sie eine E-Mail an kojima@borgelt.de.