Marcel Duchamp – ein Urheberschaftsdieb? Das war mir, als Marcel-Duchamp-Fan, auch neu: The Art Newspaper berichtet am 3. November 2014 von der deutschen Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven (1874-1927), die möglicherweise die eigentliche Urheberin von Marcel Duchamps für die Kunst und Kunsttheorie so wichtigem Werk „The Fountain“ gewesen ist.

Hatte tatsächlich Elsa und nicht Marcel das Readymade eines umgedrehten und „R.Mutt“ signierten Urinals  zur Schau der Society of Independent Artists im New Yorker Grand Central Palace im April 1917 eingereicht? Ist sie es gewesen, die die große Kontroverse über den Kunstbegriff an sich startete indem sie den Schaffensprozess auf die reine Auswahl eines Objekts durch den Künstler verlegte? Die quasi die Konzeptkunst erfand? Elsa soll, nach Auffassung der Autoren des Artikels, Julian Spalding und Glyn Thompson, das Werk unter anderem als Protest gegen die männergeführte  Society of Independent Artists, deren Vertreter sie als Frau und als Deutsche  immer wieder mißachteten, gefertigt haben. Die Society konnte, so die Autoren, im Grunde intellektuell nur gegen Elsa verlieren: sollten sie das Werk ausstellen würden sie demonstrieren, dass sie Kunst von Alltagsgegenständen nicht unterscheiden können, lehnten sie es ab würden sie ihre eigenen Regeln brechen, nämlich alles auszustellen, was der Künstler als Kunst einreicht. Erst nach dem Tod der Elsa von Freytag-Loringhoven berühmte sich Duchamp des Werks „The Fountain“.

Nach dem Artikel von Julian Spalding und Glyn Thompson gibt es genug frei zugängliche Nachweise für diese Annahme, die jedoch von Kunsthistorikern und Museen geflissentlich ignoriert werden. Die Autoren gehen so weit, dass sie in Rede stellen, dass die Kunstwelt an dem Mythos „Marcel Duchamp – The Fountain“ festhält, um die millionenschwere Konzeptkunst, die keinerlei Handwerk oder Material sondern lediglich Ideen erfordert zu legitimisieren und das Grundkonzept Marcel Duchamps, auf dem zahllose Theorien basieren, aufrechtzuerhalten. Also sozusagen eine große unbewusste Verschwörung, die den heutigen Kunstmarkt überhaupt erst möglich macht. Eine sehr spannende und nicht völlig unwahrscheinliche Theorie, wie ich finde.

Letzteres schwierige und empfindliche Thema wollen wir aber hier nicht weiterverfolgen (obwohl ich stark hoffe, dass es ein paar andere tun) sondern uns dem juristischen Problem des Urhebernennungsrechts zuwenden. § 13 UrhG bestimmt: „Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.“ Darin liegt mehr als auf den ersten Blick erkennbar ist. Zunächst ist das Urhebernennungsrecht ein Urheberpersönlichkeitsrecht. Es sichert das persönliche und geistige Band des Urhebers zu seinem Werk. Auch ist das Informationsinteresse der Verbraucher betroffen, die keinen irrigen Vorstellungen über die Urheberschaft unterliegen sollen. Weiter hat die Nennung eines Urhebers in Zusammenhang mit einem bestimmten Werk weitreichende Konsequenzen, da § 10 UrhG festlegt, dass der auf dem Original eines Werks Bezeichnete bis zum Beweis des Gegenteils als sein Urheber angesehen wird. Dies hat eine Beweiserleichterung für den Bezeichneten zur Folge, wenn sich über die tatsächliche Urheberschaft vor Gericht gestritten wird. Der nicht Genannte, der die Durchsetzung seiner Urheberschaft an dem Werk gerichtlich verfolgt, muss nun tatsächlich positiv beweisen, dass er und nicht der als Urheber bezeichnete Schöpfer des Werks ist. Die Vermutung der so gekennzeichneten Urheberschaft gilt also bis zum Beweis des Gegenteils. Und so eine Beweisführung kann mitunter schwer werden, wenn Dokumentationen oder Zeugen fehlen.

Satz 1 der Vorschrift § 13 UrhG spricht von der Anerkennung der Urheberschaft. Das heißt, dass ein Urheber davor geschützt werden soll, dass ihm seine Urheberschaft streitig gemacht wird. Dies kann durch eine falsche Zuordnung eines Werks passieren oder dadurch, dass Plagiate eines Werks unter anderem Namen veröffentlicht werden. Witziger Weise hilft § 13 UrhG einem Urheber nicht dabei, wenn ihm ein falsches Werk zugeschrieben wurde. Weil, § 13 UrhG setzt ja Urheberschaft voraus. In solchen Fällen muss der Urheber aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und Namensrecht vorgehen.

Satz 2 der Vorschrift § 13 UrhG spricht nun über die Art und Weise der Bezeichnung eines Werks in Bezug auf die Urheberschaft. Der Urheber kann etwa, widerruflich, darauf verzichten, als Urheber genannt zu werden oder darauf bestehen, Künstlernamen, Abkürzungen oder Pseudonyme verwenden. Übrigens: die Telefonnummer, E-Mail oder Adresse zählt nicht zur Urheberbezeichnung und kann daher nicht eingefordert werden. Das Werk muss zwar zugeordnet werden können und die Zuordnung zum Urheber hat eine gewisse Werbefunktion. Erforderlich hierfür ist aber lediglich der Name.

Es gibt auch das Nennungsverbot, etwa wenn ein Werk derart umgestaltet wurde, dass es untragbar für den Künstler/Urheber ist, damit in Verbindung genannt zu werden. So kann er sich dann von dem Werk distanzieren.
Sollte die Aufhängergeschichte mit Elsa von Freytag-Loringhoven und Duchamp tatsächlich stimmen haben wir einen klassischen Fall des § 13 UrhG. Dabei wurde ein Pseudonym falsch zugeordnet, bzw. durch einen anderen Künstler sogar annektiert. Auch wenn Elsa von Freytag-Loringhoven nicht unter ihrem bürgerlichen Namen als Urheberin genannt werden wollte, so hätte sie bzw. ihr Rechtsnachfolger ein Recht auf Anerkennung ihrer und nicht der falschen Urheberschaft gehabt. Aber wie so oft wird es wohl dabei bleiben: wo kein Kläger, da kein Richter.

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)
Rechtsanwältin
www.borgelt.de
Mitglied des Instituts für Kunst und Recht, IFKUR e.V.

Dieser Artikel erschien und der Zeitschrift Kunst und Auktionen, 21. November 2014

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Eva N. Dzepina Rechtsanwältin für Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Internetrecht, Designrecht, Kunstrecht, IT-Recht, Domainrecht

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