Auch Essbares kann Kunst sein, wie wieder einmal gerichtlich bestätigt wurde. Nach der Pommes d’Or-Entscheidung, die vorsah, dass wegen der Entsorgung zweier vertrockneter Pommes durch eine Kunstgalerie 2.000 € Schadensersatz zu zahlen seien – auch wenn die Pommes im konkreten Fall keine Kunst darstellten – hat sich letztes Jahr das Amtsgericht Lübeck (AZ: 61 OWI 751 Js 12336/15 (64/15), Urteil vom 17. Juni 2015) mit etwas Appetitlicherem beschäftigt: Zuckerguss.

Hintergrund des Rechtsstreits zwischen dem Ordnungsamt Lübeck und einer Tortendekorateurin war, dass diese von der zuständigen Handwerkskammer aufgefordert wurde, ein Gewerbe anzumelden und sich in die Handwerkerrolle eintragen zu lassen, da sie tatsächlich das Konditoreihandwerk ausübe: das Verzieren von Torten gehöre zum Aufgabenbereich eines Konditors. Die Betroffene sah sich hingegen eher als Designerin oder Künstlerin. Torten buck sie nämlich nicht. Vielmehr erwarb sie handelsübliche Buttercremetorten von lokalen Konditor-Handwerksbetrieben und verzierte diese dann mit einem individuell entworfenen, aufwändigen Design aus Fondantmasse und Lebensmittelfarbe. Im Durchschnitt zwei Torten pro Monat für mehrere Tausend Euro kreiert die Designerin in vielen Stunden Arbeit. Diese Tätigkeit machte aber nur 10% ihres Umsatzes aus, sie verkaufte auch Zubehör und Werkzeug für Motivtorten und gibt Kurse – auch für Konditoren – in Tortendesign.

Da sich die Dekorateurin nicht in die Handwerksrolle eintragen lassen wollte erließ das Ordnungsamt der Hansestadt Lübeck einen Bußgeldbescheid in Höhe von 600,00 EUR wegen Verstoßes gegen die Handwerksordnung, das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und die Gewerbeordnung. Begründet würde der Bescheid damit, dass die Tortendesignerin mit den Motivtorten Konditoreihandwerk ausübe und sich deshalb sowohl in die Handwerksrolle eintragen und ein Gewerbe anmelden müsste. Die Geldbuße wollte die Designerin nicht zahlen und es ging vor das Amtsgericht.

Der zuständige Richter wertete den Sachverhalt und vorgelegte Fotos der Torten aus und kam zu dem Schluss, dass eine Eintragung in der Handwerksrolle oder Gewerbeanmeldung nicht notwendig sei. Vielmehr handele es sich um eine künstlerische Tätigkeit. Das Gericht stellte auch klar, dass eine Abgrenzung zwischen Kunst und Handwerk nicht generell getroffen werden können und immer vom Einzelfall abhänge. Schließlich könnten Kunst und Handwerk auch miteinander verwoben sein. Bei der Gestaltung von Konditorware könnte sowohl reines Handwerk als auch Kunst vorliegen. Letztlich müsse man unterscheiden ob im konkreten Fall eine „künstlerische Gestaltungshöhe“ erreicht werde. Dabei legte das Gericht den bundesverfassungsrechtlichen Maßstab zum Begriff der Kunst an: das Wesen der künstlerischen Betätigung bestehe in der freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden (BVerfGE 30, 17; BVerfGE 67, 213).

Nach Auffassung des Amtsgerichts lag den verzierten Torten liegt eine „eigenständige kreative Leistung der Tortendesignerin zugrunde, die über das im Konditorhandwerk übliche Maß weit hinausgeht“. Insbesondere könne man vergleichbare Torten im herkömmlichen Konditoreigewerbe nicht erwerben. Die Designerin habe sich das besondere Können, das bei der Gestaltung der Designtorten erforderlich sei, selbst angeeignet. Dies sein auch kein Bestandteil eine üblichen Konditorausbildung. Die individuellen Motivtorten seien Einzelstücke speziell nach Kundenwunsch mit einer „höchstpersönlichen Gestaltungsleistung“ bei den Motiven. Besonders wichtig sei, dass die designerin die Torten ja gar nicht selbst herstelle sondern von Handwerksbetrieben erwerbe. Also sei die Tätigkeit der Designerin tatsächlich ein „gestalterischer Prozess unter Verwendung handwerklich gefertigte Ausgangsprodukte“ mit künstlerischem Charakter.

Das Urteil gibt einen Hinweis darauf, dass die Gestaltung von Essen tatsächlich urheberrechtlich geschützt sein kann. Bisher ist kein weiteres Urteil bekannt, das die Gestaltung von Essen als Kunst beurteilt. Denkbar wäre es allerdings. Kreationen von Sterneköchen bestehen häufig nicht nur aus den erlesensten Zutaten. Manchmal gleicht auch die Präsentation einem Happening aus der Kunstszene, etwa wenn Consommé aus einer gläsernen Teekanne in ein sich umfärbendes Behältnis gegossen wird, darin eine Gemüseblume aufspringt und man ein in Blattgold gehülltes und Taschenuhrform gepresstes Gelee in der Flüssigkeit auflöst, wie etwa bei The Fat Duck in Berkshire – eine Hommage an die Teetafel des verrückten Hutmachers bei Alice im Wunderland. Es geht dabei nicht um das Gericht an sich – Kochrezepte sind regelmäßig nicht urheberrechtlich schutzfähig. Vielmehr ist die Präsentation, die Darstellung des Essens von dem „Inhalt“ losgelöst als individuelles Design oder als kreative Schöpfung zu sehen. Und dass Kunst aus den kuriosesten Materialien hergestellt werden kann ist spätestens seit Beys‘ Fettecken und – in neuerer Zeit – dem Einlegen von Haikadavern und toten Schafen in Formaldehyd, courtesy of Damien Hirst, auch der breiten Öffentlichkeit bekannt. Dabei ist es auch unschädlich, dass die kulinarische Kunst nur zu einer vorübergehenden Existenz bestimmt ist. Das sind Performances auch.

Unter dem Strich bleibt es jedoch bei Essenskunst bei dem alten englischen Sprichwort: the proof of the pudding is in the eating. Wenn es nicht schmeckt hilft auch kein Blattgold.

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)
Rechtsanwältin
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Mitglied des Instituts für Kunst und Recht, IFKUR e.V.

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Eva N. Dzepina Rechtsanwältin für Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Internetrecht, Designrecht, Kunstrecht, IT-Recht, Domainrecht

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