Ist das Sammelwerk ein eigenständiges Kunstwerk?
Im Lehmbruck Museum in Duisburg wird das Werk/Projekt “NEW POTT – Neue Heimat im Revier” gezeigt. Hierbei handelt es sich um ein „partizipatorisches“ Werk, also um ein Werk an dem verschiedenen Personen mitwirken. Dazu gehören Künstler, Fotografen, aber auch Modelle oder Interviewpartner. Ist es also ein Sammelwerk?

Familien aus aller Welt, die zwischen Duisburg und Dortmund wohnen bekamen vom Künstler Mischa Kuball Lampen, mit denen sie ihren Wohnraum erhellen und sozusagen in eine Bühne für sich selbst verwandeln konnten. Der Künstler und diese Menschen verbrachten Zeit zusammen und die Familien erzählten ihre gesamte Lebensgeschichte und kulturellen Erfahrungen. Der Fotograf Egbert Trogemann hielt diese Momente per Foto und Film für die Ewigkeit fest.

Viele Einzelteile fügen sich so zu einem Gesamtbild, quasi zu einem Teppisch mit vielen Ornamenten, die ein Ganzes ergeben, zusammen. Dabei ist jede einzelne Geschichte, jedes Foto, jeder Film individuell – auch wenn das Muster (Lampe, bei Familien zuhause, die von ihren Geschichten erzählen) gleich bleibt. Hier wird es direkt auf zwei Ebenen interessant.

Zum Einen besteht dieses Projekt oder Kunstwerk aus verschiedenen Gattungen: das umgesetzte Konzept, verschiedene Personen jeweils nach einem Muster zu interviewen, erzählen zu lassen, könnte jedes Mal eine Kunstperformance sein, in dem jeweiligen Moment einzigartig und nicht wiederholbar. Die filmische und fotografische Dokumentation der einzelnen Momente können eigene Werke darstellen, die dem Urheberrechtsschutz zugänglich sind. Die Geschichten, die erzählt werden, sind Sprachwerke, festgehalten auf Film. Die Art des Arrangements, der Beleuchtung, der „In-Szene-Setzung“ der Beteiligten – ein Tableau, das als flüchtiges Kunstwerk arrangiert wird, wie eine lebende Momentaufnahme. Und nicht zuletzt die Zusammenfügung all der einzelnen Begegnungen, als Werk aus gemischten Gattungen, das nur in der Sammlung aller Einzelteile ein besonderes Bild und einen bestimmten Eindruck der Menschen vermittelt, die in der untersuchten und besuchten Region leben.

Das Sammelwerk ist dem Urheberrechtsgesetz bekannt. In § 4 I UrhG heißt es: „Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind (Sammelwerke), werden, unbeschadet eines an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts, wie selbständige Werke geschützt.“ Das heißt, der „Teppich“, das gesamte Bild, das sich aus den Einzelteilen ergibt, ist urheberrechtlich geschützt, wenn ihre Auswahl oder Anordnung eine persönliche geistige Schöpfung darstellen: also etwas individuelles, von einem Menschen Geschaffenes, mit geistigerm Gehalt. Der Künstler, der die befragten Menschen ausgewählt hat und ihre Geschichten und Aufnahmen in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet hat, hat so ein Sammelwerk geschaffen, dass zwar aus der Summe seiner (teilweise individuell geschützten Einzelteile) besteht, aber als gesamtes Bild einen eigenen, besonderen Eindruck und eine eigene Aussage erzielt.

Die zweite Ebene ist die Frage der Miturheber. Der Künstler und Projektleiter, der Fotograf und die einzelnen Personen haben jeder einen Beitrag geleistet, um das Sammelwerk herzustellen. Einige dieser Beiträge sind für sich genommen für denjenigen geschützt, der sie fabriziert hat. Voraussetzung ist natürlich, dass der einzelne Beitrag jeweils überhaupt urheberrechtlich geschützt ist. Interessant ist, dass trotz einzeln bestehender Urheberrechte ein übergreifendes Urheberrecht des Künstlers/Projektleiters für sein Sammelwerk über alles gespannt ist. Das bedeutet nämlich auch, dass ein Erwerber des Kunstprojekts dieses nicht einfach so in seine Teile aufspalten und etwa einzeln weggeben oder verkaufen darf. Ähnliches passierte – wie in KuA berets berichtet – mit einem Sammelwerk Damian Hirsts, dass entgegen seiner Einwilligung auseinander genommen und in einzelnen Teilen versteigert wurde, wohl um mehr Geld zu generieren. Das gab natürlich Ärger, denn das Werk war als Sammelwerk und nicht als Sammlung einzelner Werke gedacht.

Den Gedanken weitergesponnen könnten auch Kuratoren von Ausstellungen, die bestimmte Konzepte und Darstellungsweisen einer Ausstellung planen und entwickeln zu Künstlern werden – auch wenn sie „große Kunst“ ausstellen. Denn das Konzept der Ausstellung allein kann schützenswert sein, die Ausstellung ein Sammelwerk, da sie einen bestimmten Eindruck, eine individuelle Idee, auf eine besondere Art und Weise vermittelt.

Wir sollten alle mehr Sammelwerke herstellen. Zum Beispiel gemeinsam einen außergewöhnlichen Dinner-Abend als Performance kreieren oder ein Fussballspiel in außergewöhnlicher Montur nach eigenen Regeln spielen. Machen Sie mit?

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)
Rechtsanwältin
www.borgelt.de
Mitglied des Instituts für Kunst und Recht, IFKUR e.V.

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Kunst und Auktionen.

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Eva N. Dzepina Rechtsanwältin für Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Internetrecht, Designrecht, Kunstrecht, IT-Recht, Domainrecht

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