Nicht erst die aktuelle Diskussion um Zinswucher bei Dispokrediten gegenüber Verbrauchern in einer historischen Niedrigzinsphase zeigt, dass Banken und Kreditinstitute auch bei niedrigen Zinsen kräftig verdienen. Spiegelbildlich wird dieses Prinzip auch bei der sogenannten “Vorfälligkeitsentschädigung” deutlich: Wenn der Kunde keine Zinsen zahlt, weil er Geld leiht, sondern weil er dieses zurückgibt. Noch deutlicher wird dies bei der sogenannten “Nichtabnahmeentschädigung” wo der Kunde erst gar kein Geld erhält, und trotzdem einen vermeintlichen Zinsschaden ausgleichen soll.

Immobilien werden regelmäßig durch Bankkredite finanziert. Diese Darlehn müssen manchmal, z.B. im Falle der Veräußerung eher als geplant zurückgezahlt werden.

Dabei fallen regelmäßig Vorfälligkeitsentschädigungen an. Die Bank verlangt dabei einen Ausgleich für den angeblichen Zins-Schaden, den sie erleidet, weil ihr das Geld früher als geplant zurückgegeben wird.

Nun sollte man meinen, dass die Bank froh sein dürfte, dass sie ihr Geld vollständig und sicher und sogar eher als geplant zurückerhält. Man sollte meinen, dass dieses Geld sofort weiterverliehen werden kann und ein Schaden allenfalls denkbar wäre, wenn die Bank weit weniger Zinsen erzielen kann. Man sollte meinen, dass der wegfallende Verwaltungsaufwand Ersparnisse bei der Bank bedeutet. Und man sollte meinen, dass das vermiedene Risiko von Insolvenz und Zwangsversteigerung durch die vorzeitige Rückzahlung der Bank einen wirtschaftlichen Vorteil bedeuten sollte. Immerhin werden jedes Jahr tausende von Immobilien zu einem Bruchteil der finanzierten Kaufpreis zwangsversteigert.
Alle diese Erwägungen führen dazu, dass Banken von den Zinsen, die in der Restlaufzeit angefallen wären, vielerorts nur einen Bruchteil dessen als Vorfälligkeitsentschädigung geltend machen. Fast überall. Nur nicht in Deutschland.

Vergleichsrechnungen hinsichtlich Darlehn zu identischen Konditionen ergeben im europäischen Vergleich krasse Unterschiede. Vorfälligkeitsentschädigungen in Deutschland übertreffen eben solche in Belgien, Dänemark und Frankreich teilweise um das Zehnfache.

In Deutschland sind Vorfälligkeitsentschädigungen vor diesem Hintergrund mehr noch als in anderen europäischen Ländern als ein eigenständiges Geschäftsmodell der Banken anzusehen, dass mit dem Ersatz eines angeblichen Schadens nichts mehr zu tun hat. Als ein inzwischen von Gerichten als unzulässig eingestuftes Geschäftsmodell ist ebenso die Berechnung von Gebühren in Höhe von bis zu € 150,00 zu sehen, die Banken regelmäßig unter Hinweis auf ihre AGB umzulegen suchen.

Diese Praxis basiert auf Urteilen des Bundesgerichtshofes (BGH) welche es den Banken erlauben, einen Zinsschaden geltend zu machen, der in der (größtmöglichen) Differenz zwischen dem Vertragszins und einer theoretischen Wiederanlagemöglichkeit in bestimmten Wertpapieren besteht. Der fiktive Zins einer solchen Wiederanlage wird nach dem Zinsdurchschnitt von Grundpfandbriefen über bestimmte Laufzeiten bestimmt, den die Bundesbank regelmäßig veröffentlicht.

Die Bank hat nach dieser Rechtsprechung ein Wahlrecht in den Berechnungsmöglichkeiten. Zudem sind die Berechnungen derart kompliziert, dass sie weder von Kunden und selbst den Bankberatern nicht nachzuvollziehen sind. Genauso überfordert sind Richter und Gerichte bei der Berechnung dessen, mit der Folge, dass vereinzelt Gerichte die Bankberechnungen gänzlich ungeprüft als richtig annehmen.

Hinzu kommt, dass mögliche Fehler der Berechnungen vielfältig sind. Banken bedienen sich dazu vielfach des selben Computerprogramms. Allein schon die Fehleingabe von Zinshöhen und Laufzeiten können zu eklatanten Fehlern führen. Verbraucherzentralen und Finanzberater bieten Überprüfungsberechnungen an.

Gänzlich unverständlich ist die Praxis einiger Kreditinsitute selbst eigene Vorfälligkeitsentschädigungen für Darlehn anderer Banken zu erheben. Dies kann bei Förderkrediten der KfW Bank geschehen, die staatlich subventioniert den Kunden als Weiterleitungsdarlehn über deren Hausbank gewährt werden. Wird ein solcher Kredit vorfristig zurückgezahlt könnte allenfalls die KfW eine Entschädigung verlangen. Nicht jedoch die Hausbank, um deren Geld es sich ja gar nicht handelt. Trotzdem wird beobachtet, dass kräftige Margen diesen Entschädigungen zugeschlagen werden, obwohl ein dahingehender Schaden gar nicht existiert.

Schadenersatz verlangt die Bank aber nicht nur, wenn der Kunde das Darlehen freiwillig vorzeitig ablösen will, sondern auch dann, wenn sie ihrerseits den Kreditvertrag kündigt. DIn diesen Fällen berechnen Kreditinstitute häufig noch Verzugszinsen zusätzlich. Dem hat der Bundesgerichtshof sich jüngst entgegen gestellt. Die Berechnung beider Beträge ist nach Auffassung des Gerichts nicht möglich. Die Bank muss sich entscheiden, ob sie das Erfüllungsinteresse oder das Nichterfüllungsinteresse geltend macht. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens XI ZR 512/11 vor dem 11. Senat des BGH am 15. Januar 2013 mitgeteilt. Beides jedenfalls steht der Bank nicht zu. Leider ist es diesbezüglich nicht zu einer höchstrichterlichen Entscheidung gekommen, da die Betroffene Bank dies prozessrechtlich verhindert hat (Az.: XI ZR 512/11). Voran gegangen war eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, das in seinem Urteil vom 23.11.2011 (Aktenzeichen 9 U 76/10) den Anspruch der Bank auf zusätzlichen Erfüllungsschaden bejaht hatte. Hiergegen hatte der Darlehensnehmer nunmehr im Ergebnis erfolgreich Revision einlegt.

Doch nicht nur die Höhe der Vorfälligkeitsentschädiung ist zweifelhaft. Vereinzelt können auch Gründe bestehen, gar keine Entschädigung zahlen zu müssen. Dies kann der Fall sein, wenn dem Kunden ein Widerrufsrecht zusteht, dass auch nach Jahren noch ausgeübt werden kann, wenn die erforderliche Belehrung fehlt oder fehlerhaft ist. Ebenso kann ein Schadenersatzanspruch entfallen, wenn die Bank die Kredite selbst kündigt und Vorfälligkeit begehrt. In diesen Fällen kann sich der Kündigungsgrund der Bank als unzureichend erweisen, mit der Folge, dass auch keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt werden kann. Ebenso können sich Kündigungsgründe für den Bankkunden ergeben, welche von der Bank zu vertreten sind. Auch in diesen Fällen kann eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht verlangt werden.

Die sogenannte “Nichtabnahmeentschädigung” ist eine Vorfälligkeitsentschädigung, die erhoben wird, wenn ein Darlehn gar nicht erst in Anspruch genommen wird. Die Nichtabnahmeentschädigung dient dem Ausgleich des angeblichen Schadens, der der Bank vor allem dadurch entsteht, dass sie die für das Darlehen vorgesehenen Mittel bereits beschafft und bereitgehalten hat. Hier ist neben der Berechnung des angeblichen Schadens vor allem Grund und Anfall des vermeintlichen Schadens zu prüfen.

Im Zweifel ist anzuraten, Vorfälligkeitsenschädigungen nur “unter Vorbehalt der Rückforderung” zu zahlen. In dieser Weise können möglicherweise unberechtigt geforderte Entschädigungen nachträglich zurückverlangt werden. Nichtabnahmeentschädigungen sollten erst eingehend überprüft werden. Zu vermeiden sind vorschnelle Zugeständnisse oder Schuldanerkenntnisse gleich welcher Art.

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Dr. Rainer Borgelt, Rechtsanwalt für Unternehmensrecht, Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, Versicherungsrecht, Zivilrecht

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