Auf dem Kunstmarkt haben Institutionen, die Echtheitszertifikate und Authentifizierung für Kunstwerke wirtschaftlich bedeutender Künstlerinnen und Künstler ausstellen eine wettbewerbsrechtlich herausragende Stellung. Diese Stellung ist im Grunde ein Monopol und beeinflusst die Preise von Kunst wesentlich.

In einem aktuellen Fall geht es um den Streit zwischen einer Kunstgalerie und einer solchen Authentifizierungsorganisation.

Im Oktober 2016 legte die Mayor Gallery Ltd., London, Klage gegen The Agnes Martin Authentication Committee LLC, New York, deren Kommittee-Mitglieder (Galerist Arnold Glimcher und Herausgeberin des catalogue raisonné Tiffany Bell) sowie die noch unbekannten Kunstsachverständigen des Kommittees bei dem Supreme Court of New York ein. Die Klageschrift ist im Internet abrufbar unter der URL:

http://cdn2.hubspot.net/hubfs/878449/16-655489.pdf?t=1477422277645

Hintergrund der Klage ist die unbegründete mehrfache Weigerung des Committee, Werke als Originale der Künstlerin Agnes Martin zu zertifizieren. Dadurch wurden die Werke vom Agnes Martin catalogue raisonné ausgeschlossen. Unter anderem die Auktionshäuser Christie‘s und Sotheby’s nehmen keine Werke von Agnes Martin in die Auktionen, wenn diese nicht durch das Committee authentifiziert sind.

Die Klageschrift der Mayor Gallery schildert folgende Vorgänge und Rechtsansichten:

Die klagende Mayor Gallery hatte mehrere Werke als Agnes Martins an Sammler veräußert. Die Preise reichten von 2.5 Millionen Dollar bis 180.000 Dollar. Ex-Investment-Banker Jack Levy hatte das unter anderem teuerste Werk erworben und anschließend, wie auch andere Kunden der Mayor Gallery, beim Committee zur Aufnahme in den catalogue raisonné und zur Prüfung der Authentizität eingeschickt.
Die Authentifizierung der von der Mayor Gallery stammenden Werke Agnes Martins wurde vom Komitee zurück gewiesen, ohne nähere Begründung. Die Gallery kaufte daraufhin alle Werke von ihren Kunden zurück und versuchte erneut, eine Aufnahme der Werke in den catalogue raisonné zu erlangen. Diesmal fügte die Mayor Gallery erheblich mehr Dokumente zur Provenienz sowie die Ergebnisse eines Radiocarbontests zur korrekten Datierung des Kunstwerks bei. Dem Geschäftsführer der Mayer Gallery, James Mayor, wollte die beklagte Tiffany Bell angeblich auf Nachfrage nicht mitteilen, wer denn die Kunstsachverständigen seien, die die Werke prüfen. Sie berief sich auf Vertraulichkeit.

In der Klageschrift wird auch geltend gemacht, dass es zwischen dem Galerist Glimcher, der hinter dem Committee stehen und es gegründet haben soll, und James Mayor schon lange Spannungen geben soll. Dies verhindere eine objektive Beurteilung der Echtheit der Kunstwerke. Es bestehe auch ein Interessenkonflikt, da Glimcher mit seiner Pace Gallery Nachlassverwalter von Agnes Martin sei und schon seit Jahren selbst ihre Werke handele. Glimcher könne durch das Committee Werke, die mehrere Millionen Dollar wert seien, durch Verweigerung eines Zertifikats wertlos machen und damit andere Werke wertvoller.

Eigentümer die Kunstwerke von Agnes Martin in den catalogue raisonné des Committees aufnehmen lassen möchten sind dazu gezwungen, ein Examination Agreement zu unterzeichnen, ohne das keine Authentizitätsprüfung stattfindet.

Das Agreement ist hier abrufbar:

https://artifexpress.com/pages/agnes-martin

Tatsächlich enthält das Agreement unter Punkt 10. einen Passus, der lautet wie folgt:

„No legal action or legal claim of any kind shall be made by you against AMCR and the AMCR Companies and Personnel based upon this agreement. You expressly, knowingly and voluntarily waive such right. In the event you make a legal claim of any kind against AMCR and/or the AMCR Companies and Personnel, you will be fully responsible for payment of any and all reasonable legal fees, costs, and expenses (which shall be paid promptly upon demand) of AMCR and the AMCR Companies and Personnel.”

Sinngemäß möchte das Committee damit die Vertragspartner verpflichten, niemals gegen sie zu klagen oder rechtliche Ansprüche zu stellen und auf jegliche Rechte zu verzichten sowie alle Kosten zu übernehmen, die aufgrund eines rechtlichen Vorgehens dem Committee oder seinen Mitarbeitern entstehen. Ob so eine Klausel wirksam sein kann ist fraglich.

Punkt 3. enthält die Klausel, dass das Committee aus egal welchem Grund („for any reason whatsoever“) verweigern kann, das jeweilige Werk in den catalogue raisonné aufzunehmen.

Tiffany Bell, so die Klageschrift, habe der Mayor Gallery bei der erneuten Einlieferung der Kunstwerke mitgeteilt, dass sie ohnehin nicht mehr geprüft würden. Es folgte ein Schreiben des Committee, in dem bestätigt wurde, dass keine Aufnahme in den catalogue raisonné erfolge.

Auf mehrfache Nachfragen bei dem Committee nach den genauen Gründen für die Zurückweisung durch die Mayor Gallery (Auszüge aus dem Schreiben sind in der Klageschrift zitiert) reagierte das Committee zunächst nicht. Irgendwann kam vom Committee ein Anwaltsschreiben zurück, in dem sich lediglich auf das Examination Agreement berufen wurde.

Die Mayor Gallery beruft sich in der Klageschrift primär auf Ansprüche aus vorsätzlicher Schädigung und unerlaubter Handlung durch das Committee. Auch wird eine Vertragsverletzung im Hinblick auf Treu und Glauben (Good faith and Fair Dealing) geltend gemacht. Dabei beruft sich die Mayor Gallery auf die einzigartige Stellung des Committees als einzig anerkannte Authentifizierungsinstanz für Werke der Agnes Martin.

Sie fordert, dass die einzelnen Prüfungsschritte und Gründe sowie die Namen der jeweiligen Sachverständigen offengelegt werden, damit der Prozess überprüfbar wird. Alternativ fordert die klagende Gallery die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von fast 7.300.000 Dollar.

Natürlich bleibt abzuwarten, wie das beklagte Committe auf die Vorwürfe antwortet. Sollte der Sachverhalt aber zutreffend dargestellt worden sein so werden viele Fragen aufgeworfen und der Fall bekommt ein „Geschmäckle“. Eine Organisation, die faktisch das Monopol innehat, über den Wert eines Kunstwerks zu bestimmen sollte zu einer gewissen Transparenz angehalten sein. Ohne entsprechende Begründung ist es einem Kunsteigentümer unmöglich zu ermessen, warum sein Werk nicht in einen catalogue raisonné aufgenommen wurde. Liegt es nur an einem Formfehler? Ist die Lücke in der Provenienz leicht zu schließen? Wurde ein Dokument einfach nur vergessen?

Hinzu kommt im vorliegenden Fall noch, dass Verantwortlicher für die Organisation ein Galerist ist, der selbst mit den Werken der Künstlerin Agnes Martin handelt. Dass hier ein Interessenkonflikt nicht ausgeschlossen werden kann, wenn ein Wettbewerber nach einer Authentifizierung sucht, dürfte nachvollziehbar sein.

Bei den Fälschungsskandalen in der Kunstwelt und der Tatsache, dass Kunst immer mehr zum Investmentobjekt wird wären verbindliche Mindeststandards für Verwalter von catalogue raisonnés oder Authentifizierungsorganisationen wünschenswert. Es kann nicht sein, dass sich bei faktischer Marktmacht eine solche Stelle jeglicher Standards und Prüfung enthalten darf. Zwar ist davon auszugehen, dass auch hier in der Zukunft Fehler passieren können. Überwiegend werden Authentifizierungen lediglich persönliche Meinungen von Experten bleiben und damit immer latent unsicher sein. Trotzdem sollte die Transparenz und Überprüfbarkeit gewährleistet bleiben.

Es bleibt zu hoffen, dass, falls die Vorwürfe der Mayor Gallery zutreffen, das zuständige Gericht zumindest die Ansicht vertritt, dass Urteile von Stellen, die Echtheitszertifikate vergeben und die Aufnahme von Werken in catalogues raisonnés bestimmen, ausführlich begründet und damit überprüfbar gemacht werden müssen.

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Kunst und Auktionen.

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Eva N. Dzepina Rechtsanwältin für Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Internetrecht, Designrecht, Kunstrecht, IT-Recht, Domainrecht

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)

Rechtsanwältin