Können Niederschriften oder andere Dokumentationen von Träumen, Halluzinationen oder Eingebungen urheberrechtlich geschützt sein, auch wenn sie vermeintlich von “jemand anderem” stammen? Mit dem Problem der Urheberschaft bei metaphysischen Einflüssen hatten sich die Frankfurter Gerichte 2012 und 2013 zu beschäftigen.

Magritte, Dali, Pereira, Kusama – viele Künstler lassen sich von Träumen, Halluzinationen oder Eingebungen für ihre Werke inspirieren. Sogar Migräneanfälle können als Muse gelten (http://www.zeit.de/2008/06/FiS-Migränetherapie ). Eher selten geht aber ein Künstler so weit, dass er sich lediglich als Medium für die Kunst- oder Sprachwerke eines anderen, eines Wesens aus einer anderen Dimension oder Wirklichkeit bezeichnet. Die Ausstellung „The Message – Das Medium als Künstler“ im Kunstmuseum Bochum hatte 2008 Kunstwerke unter „höherem Einfluss“ zum Thema.

Da kann man sich ruhig mal fragen, wer hier der eigentliche Künstler ist: der ausführende Mensch oder die ihn leitende Wesenheit? Das kann durchaus auch für den Juristen eine interessante Problemstellung in Bezug auf das Urheberrecht werden. In § 7 UrhG ist schlicht und einfach bestimmt: „Urheber ist der Schöpfer des Werkes.“ Wer schöpft aber, wenn der eine nur „Hand“ ist und der andere „Geist“?

In den Jahren 2013/2014 hatten sich die Frankfurter Zivilgerichte mit dem Thema metaphysischer Einflüsse im Urheberrecht auseinanderzustetzen (OLG Frankfurt, Urteil vom 13. Mai 2014, AZ: 11 U 62/13; Vorinstanz LG Frankfurt, Urteil vom 7. April 2013, AZ: 2-6 O 424/12).

Eine amerikanische Stiftung verklagte einen Verein auf Unterlassung und Schadensersatz. Die Stiftung monierte die Veröffentlichung von Auszügen aus einem Buch mit dem Titel „A Course in Miracles“ durch den Verein. Der betroffene Text (im Urteil wurde der Text „Kurs“ genannt) stammte ursprünglich von einer amerikanischen Professorin für Psychiatrie und wurde ab 1965 niedergeschrieben und auch mehrfach überarbeitet.

Die Professorin hatte angegeben, dass der Text ihr „in aktiven Wachträumen von Jesus von Nazareth eingegeben“ worden war.

Im amerikanischen Copyright-Register wurde der Text angemeldet, wobei in der Rubrik „Autor“ „Anonymous“ eingeragen wurde. Dann folgten noch einige Rechteübertragungen hinsichtlich des Textes in mittlerweile aktuell überarbeiteter Fassung zwischen verschiedenen Stiftungen und ein Urteil des United States District Court / Southern District of New York vom 24. Oktober 2003 (Penguin Books U.S.A. v. New Christian Church of Full Endeavor), das entschied, dass die aktuelle Textfassung in den USA keinen Copyright-Schutz genieße, da sie ohne Copyright-Vermerk vorveröffentlicht worden war.

Das alles muss aber für die Schlüsse des Urteils nicht interessieren, denn der beklagte Verein leugnete nie, dass die Rechteübertragungen grundsätzlich stattgefunden hatten. Was der beklagte Verein kritisierte war, dass die Stiftung Rechte an einem Text geltend machte, die eigentlich Jesus von Narzareth zustanden. Schließlich seien sich die Parteien darüber einig, dass es der Text Resultat eines Diktates sei, das die Professorin von Jesus von Nazareth empfangen habe. Sie sei daher gar nicht Werkschöpferin gewesen und habe keine Rechte übertragen können. Eine reine Niederschrift sei keine persönliche geistige Schöpfung.

Der beklagte Verein argumentierte weiter, hier sei alles anders als bei einer Hypnose oder Trance. In solchen Fällen seien In solchen Fällen seien Gedanken im Unterbewusstsein bereits vorhanden und würden durch Hypnose oder Trance „ans Licht gehoben“. Bei der Professorin sein das Diktat „von einem Dritten entgegengenommen und die ihr eingeflüsterten Worte nur für Dritte wahrnehmbar gemacht“ worden. Dies stelle keine Inspiration dar und außerdem gehe es bei Jesus von Narzareth nicht um ein „diffuses spiritistisches jenseitiges Wesen, sondern um eine historisch verbürgte natürliche Person als durchaus möglichem Subjekt des Rechts“. Schließlich weise sogar das Grundgesetz einen Gottesbezug auf und begründe damit auch im Metaphysischen. Dass die Professorin aus ihrem subjektivem Wunsch heraus später die Copyright-Registrierung betrieben habe ändere nichts daran, dass alle tatsächlich darüber einig seien, dass der Text von Jesus stamme. Für die weltweit verteilten Anhänger des sei es zweifelsfrei, dass die Worte direkt von Jesus stammten. Auch der Präsident der klagenden Stiftung habe sich in seinen Büchern immer wieder so geäußert.

Die klagende Stiftung entgegnete, Jesus sei lediglich Inspirationsquelle gewesen. Wenn die Professorin nach subjektiver Wahrnehmung den Text als Diktat von Jesus empfunden habe, bedeute dies nicht, dass der Text in englischer Sprache Text Wort für Wort von Jesus vorgegeben wurde. Sie habe den Text selbst verfasst, mit ihren eigenen Eindrücken versehen und sei kein menschliches Werkzeug oder bloße Stenografin.

Das LG und OLG Frankfurt gaben der klagenden Stiftung Recht und verurteilten den Verein wegen der Textkopien auf Unterlassung und Schadensersatz. Das Oberlandesgericht setzte sich tatsächlich dezidiert mit der möglichen Autorenschaft Jesu auseinander.

Es gehe um die Frage, ob Urheber im rechtlichen Sinn eine metaphysische Eingebung sein kann, auf deren Einfluss der menschliche Schöpfungsakt (das Textschreiben) zurückgeführt wird. Auch jenseitige Inspirationen seien aber rechtlich uneingeschränkt ihrem menschlichen Empfänger zuzurechnen. Es komme tatsächlichen Schaffensvorgang an und nicht auf den Geisteszustand des Schaffenden, deshalb könnten auch Geistesgestörte, Hypnotisierte und in Trance befindliche Personen Urheber sein. Eine Eingebung Wort für Wort von einer historisch verbürgten Person wie Jesus von Narzareth sei „mit menschlichen und prozessualen Erkenntnismöglichkeiten ebenso wenig [zu] objektivieren wie sonstige spirituelle Einflüsse“, so das Gericht.

Die geschilderten Vorgänge entzögen sich einer näheren physisch-naturwissenschaftlichen Erfassung und damit auch objektiven Verifizierung. Jegliche Werken beruhten „auf unberechenbaren, nicht messbaren Eingebungen in Hirn und Seele ihres Schöpfers […] und [seien] so wenig erklärbar […], wie das Leben selbst.“ Letztlich sei ein geistiges Werk demjenigen zuzurechnen, der die Vorstellung das erste Mal ausgedrückt habe.

Den Beweis, dass tatsächlich Jesus von Narzareth den Text Wort für Wort diktiert habe sei der beklagte Verein letztendlich schuldig geblieben. Die Aussagen der Professorin bezögen sich nur auf ihr subjektives Empfinden, nicht auf Tatsachen.

Deshalb sei der klagenden Stiftung Recht zu geben.

Das Urteil beschreibt sehr ausführlich und deutlich, wie das deutsche Urheberrecht den Schaffensvorgang hinsichtlich urheberrechtlich geschützter Werke einordnet und welchen Stellenwert und welche Bedeutung Inspirationen und das Unterbewusstsein des Künstlers auf seine Urheberschaft haben. Großartig macht die Urteilsbegründung jedoch, dass das Gericht eine grundsätzlich mögliche Urheberschaft eines spirituellen Wesens oder einer dahingeschiedenen Person nicht völlig abtut sondern auf die Beweislage abstellt.

Da macht es doch noch mehr Spaß, sich gelegentlich von unsichtbaren Musen küssen zu lassen, wenn selbst Gerichte diese von vorherein nicht als Hirngespinste abtun. Pygmalion lässt grüßen.

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)
Rechtsanwältin
www.borgelt.de
Mitglied des Instituts für Kunst und Recht, IFKUR e.V.

Bei Fragen zum Urheberrecht können Sie sich gerne an uns wenden. Vereinbaren Sie gern einen Termin mit Frau Rechtsanwältin Eva Dzepina unter dzepina@borgelt.de.

Sprechen Sie uns an per E-Mail: info@borgelt.de oder Telefon: +49.211.5858990

Eva N. Dzepina Rechtsanwältin für Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Internetrecht, Designrecht, Kunstrecht, IT-Recht, Domainrecht

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)

Rechtsanwältin