Das rechtmäßige Verbringen von Standplatzskulpturen: Auch Pferdeskulpturen dürfen nicht frei in der Wildnis galoppieren. Dies hat das Oberlandesgericht Köln im Jahr 2009 in einem Gerichtsverfahren entschieden (Urt.v.12.6.2009, AZ: 6 U 215/08).

Der Kläger, ein freischaffender Bildhauer, fertigte für die beklagte Stadt Aachen eine Pferdeskulptur mit fünf Pferden in einer bestimmten Formation an, die im Boden verankert im Jahre 1977 auf dem Bahnhofsvorplatz aufgestellt wurde. Ein kleiner Hügel wurde extra für die Installation der Pferdeformation aufgeschüttet und die Pferde darauf gesetzt.

Später, 2004/2005, wurde der Bahnhofsvorplatz dann von der Stadt Aachen umgestaltet. Dabei  versetzte man die Pferdeskulptur an einen anderen Standort. Sie stand dann seitlich zum Haupteingang des Bahnhofs, die Pferde mit dem Rücken zu einem Verwaltungsgebäude, Richtung Bahnhof “laufend”, auf einer neuen, aber anders gestalteten Aufschüttung. Die Pferde wurden dabei in einer anderen Formation zueinander aufgestellt als früher. Der Künstler sah in dieser Versetzung und Umformation nun eine Verletzung seines Urheberrechts. Schließlich habe die Pferdeskulptur ursprünglich den Eindruck vermitteln sollen, dass die Pferde in die Stadt laufen, denn sie symbolisiere die “Freiheit des Kommens (Woher) und die Freiheit des Gehens (Wohin)”. Der neue Standort gewährleiste diese künstlerische Aussage nicht mehr. Die Form des Hügels müsse nach Ansicht des klagenden Künstlers auch in ihre ursprüngliche Gestalt gebracht werden, da der Hügel unverzichtbarer Bestandteil des Kunstwerks sei. Der ursprüngliche Hügel sei durch eine waagerechte “Lauffläche” für die Pferde charakterisiert, mit sanftem Übergang in die umgebende Fläche – der neue Hügel sei stark abfallend.

In erster Instanz hatte der Künstler seine Klage insoweit gewonnen, als das Gericht ihm zugestand, dass die Pferde in die ursprüngliche Formation gebracht werden müssten. Die Verbringung an den alten Standort, wie vom Kläger gefordert, lehnte das Gericht jedoch ab, da das Kunstwerk des Klägers durch die Umstellung nicht beeinträchtigt worden sei. Die Pferdeskulptur sei nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts „kein standortbezogenes Werk“ und der neue Aufstellungsort als solcher gefährde die geistigen und persönlichen Interessen des Klägers an seinem Werk nicht. In der zweiten Instanz verfolgte der klagende Künstler weiter, dass  die 5-teilige Pferdeskulptur an den alten Standort verbracht wird. Die beklagte Stadt Aachen hält auch in zweiter Instanz gegen alle Ansprüche des Klägers.

Das Oberlandesgericht gab dem klagenden Künstler insoweit Recht, als dass die Pferdeformation in Ihrer ursprünglichen Anordnung von der beklagten Stadt wieder hergestellt werden muss. Nicht verlangen konnte der Beklagte jedoch, dass alles wieder an einen anderen, von ihm bestimmten Platz verlegt und ein anderer Hügel aufgeschüttet wird. Letztendlich wurde auch deshalb der Kläger überwiegend (mindestens zu 2/3) zur Kostentragung verurteilt.

Um zu diesem Ergebnis zu kommen hatte sich das Gericht Lichtbilder von der ursprünglichen Aufstellung angesehen und war auch persönlich zur Besichtigung der neuen Situation zum Aufstellort erschienen, um sich selbst einen Eindruck von der Wechselwirkung zwischen Skulptur und Aufstellungsort zu verschaffen.

Die Umsetzung der Skulptur verletzte nach Ansicht des Gerichts nicht das Urheberrecht des Klägers, da sie weder gegen das im Urheberrecht geltende Änderungsverbot verstieß noch das Kunstwerk in anderer Weise beeinträchtigt. Zwar gibt es im Urheberrecht besteht ein grundsätzliches Änderungsverbot. Es beinhaltet, dass auch der Eigentümer des original Kunstwerks grundsätzlich keine in das ihm fremde Urheberrecht eingreifenden Änderungen daran vornehmen darf, da der Urheber ein Recht darauf hat, dass sein Werk mit dem im innewohnenden individuellen künstlerischen Geistesgehalt der Öffentlichkeit in seiner unveränderten Gestalt zugänglich gemacht wird. Dieser Grundsatz bezieht sich aber auf den reinen Bestand und die Unversehrtheit des Werkes in der konkreten Gestaltungsform, also die Integrität der Substanz – wobei „Substanz“ nicht nur das reine „Anfassbare“ des Werks meint, sondern auch den sinnlich wahrnehmbaren geistig-ästhetische Gesamteindruck.  Das heißt nichts anderes, als dass auch dann eine beeinträchtigende Veränderung des Werks stattfinden kann, wenn das Stück selbst unberührt beliebt, aber das Umfeld darum oder andere äußere Faktoren verändert werden – wenn sie für die Wahrnehmung und das Verständnis des Kunstwerks Bedeutung haben. Also ist es grundsätzlich möglich, dass ein Umstellen des Kunstwerks von einem zum anderen Platz einen Substanzeingriff zur Folge haben kann, aber nur wenn der Bezug zwischen Aufstellungsort und Werk für den geistigen Gehalt relevant ist.

Da für die hier betroffene Pferdeskulptur erst nach ihrer Konzipierung zumindest in Modellform der ursprüngliche Platz gesucht wurde, spricht dies gegen ein ortspezifisches Kunstwerk im absoluten Sinn. Außerdem laufe die konkrete Umsetzung des Werks dem Gesamteindruck der Skulptur nicht zuwider – davon habe sich das Gericht beim Ortstermin überzeugt. Wesentlich sei die gemeinsame Laufrichtung und Positionierung der Pferde, die mit der ursprünglichen Anordnung  wieder hergestellt werde. „Der Senat konnte bei der durchgeführten Augenscheinnahme nicht erkennen, dass der neue Aufstellungsort für den vom Kläger behaupteten Gesamteindruck und die dadurch transportierte künstlerische Aussage weniger geeignet wäre als der ursprüngliche Platz.“, so das Gericht. Bewegungsfreiheit müssten die Pferde durchaus haben, aber sie seien nicht am neuen Standort etwa plötzlich “erdrückt”. Und selbst wenn der Versetzungsort  eine Beeinträchtigung des zur Folge gehabt hätte, so wäre der vom Kläger geforderte Standort auch nicht besser als der aktuelle Standort. Vielmehr würde die Pferdeskulptur dann sogar im Schatten eines Baumes stehen und wäre schlechter zu sehen als jetzt. Der neue Aufstellungsort der Pferdegruppe könne die ihr vom Kläger zugemessene “Begrüßungsfunktion” insofern sogar besser erfüllen. Eine Neuaufschüttung eines anderen Hügels sah das Gericht ebenfalls nicht für angezeigt. Dies lag aber eher an der Formulierung des Antrags durch den Kläger.

Ganz klar verstoße die Änderung der Formation des Pferdegruppe aber gegen das dem Urheberrecht immanente Änderungsverbot. Die Pferdegruppe ist ein urheberrechtlich geschütztes, einheitliches Werk, in dessen Substanz durch die andere Aufstellung eingegriffen wurde. Die Veränderungen vermittelten den Betrachtern einen auffallend anderen geistig-ästhetischen Gesamteindruck als die ursprüngliche Formation – egal ob dies vermeintlich „besser“ oder „schlechter“ wirke. Zwar hat eine Abwägung zwischen den geistigen und persönlichen Interessen des Urhebers und dem Interesse des Werkeigentümers, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren, immer stattzufinden. Vorliegend aber überwog nach Auffassung des Gerichts das Künstlerinteresse.

Bei den viel verbreiteten und immer wieder stattfindenden Stadtsanierungen und Modernisierungen werden mit Sicherheit mehr öffentlich aufgestellte Kunstwerke „dran glauben“ müssen. Es empfiehlt sich für die Eigentümer, Änderungen immer mit den jeweiligen Künstlern oder den Rechtsnachfolgern abzustimmen – damit später nicht noch mehr öffentliche Gelder eingesetzt werden müssen,um die Verschwendung von öffentlichen Geldern für „Korrekturen“ zu unterbinden.

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)
Rechtsanwältin
www.borgelt.de
Mitglied des Instituts für Kunst und Recht, IFKUR e.V.

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Eva N. Dzepina Rechtsanwältin für Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Internetrecht, Designrecht, Kunstrecht, IT-Recht, Domainrecht

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