von Rechtsanwältin Eva N. Dzepina, LL.M., Düsseldorf

Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 08/2011 des Marketing Rechtsbriefs

Dass Markenämter sich mit allen möglichen und unmöglichen Anmeldewünschen herumschlagen müssen ist uns spätestens nach der Zurückweisung der Anmeldung der Marke „Arschlecken24“ durch das Bundespatentgericht klar geworden. Es hat sich jedoch in der Vergangenheit ebenfalls gezeigt, dass Anmelder auch im sexuellen Bereich recht erfinderisch und experimentierfreudig sind. Die Zeit ist nunmehr reif für eine kleine markenrechtliche Sittengeschichte.

Schon 1985, also noch während der Geltung des Warenzeichengesetzes (WZG) von 1935, hat das das Deutsche Patentamt (Mitt. 1985, 216) die Eintragung eines Warenzeichens “Schlüpferstürmer” abgelehnt. Es ging hier um die Bennenung alkoholischer Getränke und das Amt nahm im Hinblick auf ein Warenzeichen „Schlüpferstürmer“ eine ärgerniserregende Darstellung im Sinne des damaligen § 4 Abs. 2 Nr. 4 WZG an. Weiter hat 1991 der Deutsche Werberat in dem “Jahrbuch Deutscher Werberat 1991” die Likörwerbung “Scharfer Hüpfer”, bei der in einer Darstellung im Comic-Stil ein unbekleideter Mannes sich einer unbekleideten sexy Fau nährte als eindeutig frauendiskriminierend beurteilt. Die Werbung enthalte die klare Aussage, Frauen seien leicht verfügbar, wenn sie Alkohol getrunken hätten.

Die Gemeinschaftsmarke Nr. 8317224 „Dildoparty” (in Anlehnung an „Tupperparty“), für die mittlerweile beim Harmonisierungsamt (HABM) der Status „Eintragung der Löschung anhängig“ eingetragen ist, wurde zunächst vom HABM für Parfümeriewaren, hygienische Gummiwaren, erotisierende Artikel zur unmittelbaren Körperanwendung, nämlich Vibratoren und Massagegeräte, für die Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen und die Warenpräsentationen durch Heimvorführungen sowie Party-Planung eingetragen. Gegen die Markenregistrierung wurden erbost zwei Löschungsverfahren wegen Nichtigkeit eingeleitet, die aber mit Sittlichkeitsgedanken nichts zu tun hatten. Es ging vielmehr um ein Freihaltebedürfnis der Allgemeinheit – also darum, dass andere den Begriff auch benutzen wollten.

Dass es auch andere „sexy“ Wortfolgen gibt, die jeder verwenden können soll, ohne durch ein Markenrecht daran gehindert zu sein, demonstriert der Slogan „Young Wild & Sexy“, der durch Beschluss des Bundespatentgerichts für markenrechtlich nicht schutzfähig in Bezug auf die Dienstleistungen Konzeption, Planung, Organisation und/oder Durchführung von Partys (Unterhaltung), Tanzveranstaltungen und/oder Live-Veranstaltungen erklärt wurde (Beschl. v. 10.11.2010, AZ: 27 W (pat) 84/10). Das Gericht entschied, die Wortfolge „Young, wild & sexy“ habe lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt und stelle nur eine gewöhnliche Werbemitteilung dar. Sie bestehe sprachüblich aus Wörtern des englischen Grundwortschatzes und das angesprochene Publikum könne die Wortfolge auch ohne nennenswerte Englischkenntnisse begreifen. Die Worte seien in ihrer Bedeutung ein Synonym für „erotisch attraktiv“ und könnten einer jungen, unbefangenen, offenen, unkonventionellen und freizügigen Einstellung und Ausstrahlung zugeordnet werden – also eine reine Aufzählung von Schlagwörtern mit eben diesem Sachbezug. Für Interpretationen bestehe kein Raum.

Die Eintragung der Gemeinschaftswortmarke „Pussy Deluxe“, die insbesondere für Bekleidungsstücke, Parfüms und Schreibwaren verwendet wird und diese Produkte überwiegend mit verschiedenen und sehr niedlichen Comic-Katzen ziert, hielt das Bundespatentgericht dagegen sittlich und auch sonst für völlig unbedenklich (BPatG, Beschl. v. 07.02.2006, AZ: 27 W (pat) 96/05). Das Schutzhindernis des „Verstoßes gegen die guten Sitten“ im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG sei hier nicht einschlägig. Schließlich habe die angemeldete Marke durch die Kombination mit dem Wortbestandteil „Deluxe“ ja gerade keinen abwertenden, diskriminierenden Inhalt, wegen dem schwerwiegend Anstoß zu genommen werden könne. Die für die Markenanmeldung zuständige Markenstelle hatte die Eintragung zunächst nicht zugelassen und argumentiert: einerseits fehle einer Marke „Pussy Deluxe“ das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und im Übrigen verstoße diese Marke gegen die guten Sitten verstoße (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG). Die Bedeutung des Wortes „Pussy“ als vulgärsprachlicher Bezeichnung für das weibliche Geschlechtsorgan stehe im Vordergrund und habe außerdem einen lediglich warenbeschreibenden Sinngehalt. Die vulgärsprachlichen Benennung weiblichen Körperteils („Pussy“) stelle eine anstößige Diskriminierung dar, die das Empfinden der beteiligten Verkehrskreise zu verletzen geeignet sei. Die Anmelderin wehrte sich und argumentierte, die angemeldete Marke sei durchaus unterscheidungskräftig und weise keinen werbeüblichen oder produktbeschreibenden Inhalt auf. Einen Verstoß gegen die guten Sitten sei auch nicht gegeben. Schließlich bedeute das Wort „Pussy“ in der englischen Umgangssprache auch „Katze, Kätzchen, Miezekatze“ und insbesondere im Zusammenhang mit dem Zeichen „Deluxe“ sei das Zeichen nicht als herabwürdigend und anstößig zu sehen. Das Bundespatentgericht setzte der Beurteilung des Amtes ebenfalls noch einiges entgegen. Selbst wenn der Verbraucher das Wort „Pussy“ als vulgäre Bezeichnung eines weiblichen Körperteils sehen würde, sei die Marke zumindest nicht beschreibend. Es könne nicht unterstellt werden, dass etwa Textilwaren gerade „in einer derartigen Fokussierung auf einen bestimmten Körperteil hergestellt, angeboten oder bezeichnet würden“. Die Bedeckung des Körpers, insbesondere der Geschlechtsteile, sei ja gerade eine übliche Eigenschaft von Bekleidungsstücken. Ob der Ausdruck „Pussy“ im Einzelfall eine diskriminierende oder frauenfeindliche Bedeutung habe möge sein, in der Kombination mit „Deluxe“ sei jedoch gerade ein abwertender Gehalt nicht gegeben.

Ähnlich „broadminded“ stellte sich das Bundespatentgericht im Hinblick auf die Marke „Hello Pussy“ auf. Die Markenstelle hatte argumentiert, die Wortfolge „Hello Pussy“ sei einerseits lediglich ein anpreisender Spruch und damit rein beschreibend. Das englische Wort „Pussy“, das vulgärsprachlich für „Vulva“ bzw. „Muschi, Möse“ stehe, werde insbesondere von dem an sexuellen, pornographischen Inhalten interessierten Kundenkreis zudem beschreibende Angabe verstanden. Außerdem sei die Marke wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nicht eintragungsfähig, da Marken mit diskriminierendem, insbesondere frauendiskriminierendem Inhalt nicht schutzfähig seien. Hier würden Frauen als beliebig verfügbare Sexualobjekte dargestellt. Das Bundespatentgericht, das letztendlich über die Eintragung zu entscheiden hatte, recherchierte in deutschen und englischen Wörterbüchern nach den Wortbedeutungen von „Pussy“. So sei „Pussy“ in der deutschen Umgangssprache eine Bezeichnung der Vagina, einer intimen Freundin oder ein Katzenname. Im englischsprachigen Slang bedeute „Pussy“ auch „women in general, with an implication of their being sexually available“ (Cassell’s Dictionary of Slang, 200, S. 961). Wie der Ausdruck letztendlich verstanden werde sei von den jeweiligen Umständen abhängig. Die Marke sollte u.a. einerseits für Hygieneprodukte und andererseits für „die sexuelle Reaktion fördernde Artikel zur unmittelbaren Anwendung am Körper geschützt werden“. Hier sei es unerheblich, ob ein Sittenverstoß vorliege oder nicht. Letztlich sei der Begriff für diese Produkte aber rein beschreibend, da sie gerade für den Intimbereich anwendbar seien.

Für die (wohl etwas unpassend anmutenden) Waren „Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Haarwässer, Zahnputzmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren, Fungizide, Herbizide“, für die die Marke ebenfalls Schutz beanspruche sei dies aber nicht so und auch kein Sittenverstoß zu erkennen.

Bei der Comic-Darstellung einer geknebelten und gefesselten Frau in schwarzer Ledermontur („Gwendoline“) verstand jedoch auch das Bundespatentgericht keinen Spaß mehr: es wies die Markenanmeldung als sittenwidrig zurück (BPatG, Beschl. v. 28.09.2010, AZ: 27 W (pat) 96/10). Dabei ging es weniger darum, ob oder wie die dargestellte Frau bekleidet sei. Es komme vielmehr darauf an, dass sie gefesselt und geknebelt sei. Darstellungen, die Personen als Opfer von Gewalt zeigen könnten keinen Markenschutz erhalten.

Also halten wir fest: sexuelle Aussagen, die massiv (etwa geschlechtsspezifisch) diskriminierend und/oder die Menschenwürde beeinträchtigend sind oder ernsthaft so verstanden werden können, sind nicht als Marken eintragungsfähig.

Bloße Geschmacklosigkeiten, reißerische Bezeichnungen oder Derbheiten werden jedoch nicht unbedingt immer als problematisch angesehen. Das erklärt warum das Wort „Ficke“ (BPatG, Beschl. v. 21.09.2005, AZ: 26 W (pat) 244/02 ), Fickshui (BPatG, Beschl. v. 01.04.2010, AZ: 27 W (pat) 41/10) und das Wort „Ficken“ (BPatG, Beschl. v. 03.08.2011, AZ: 26 W (pat) 116/10) nach Ansicht des Bundespatentgerichts eintragungsfähig blieben. Schließlich, so das Bundespatentgericht im Fall „Ficken“, ließen sich für Deutschland und den Nachnamen „Ficken“ 67 Telefonbucheinträge nachweisen und es gebe auch Film- und Buchtitel, die dieses Wort enthielten (etwa „Fickende Fische“ oder „Engel fickt man nicht“).

Aber auch wenn man keine anzügliche Marke anmelden will, hat man trotzdem immer auch mit den Maßgaben des Wettbewerbsrechts zu rechnen. Die Bezeichnungen „Busengrapscher“ und „Schlüpferstürmer“ auf alkoholischen Getränken sind nach Ansicht des Bundesgerichtshof nicht nur geschmacklos sondern auch sittenwidrig und verstoßen damit gegen Wettbewerbsrecht. Diese Zeichen seien nicht lediglich scherzhaft gemeinte und verstandene Bezeichnungen “wundersamer sexueller Wirkkraft” oder ein “Scherz mit sexuellen Phantasievorstellungen”. Vielmehr handele es sich um Frauen diskriminierende Bezeichnungen, „die in obszöner Weise den Eindruck der freien Verfügbarkeit der Frau in sexueller Hinsicht vermitteln und zugleich die Vorstellung fördern sollen, dass die so bezeichneten alkoholischen Getränke geeignet seien, solcher Verfügbarkeit für die angesprochenen sexuellen Handlungen Vorschub zu leisten“.

Bei allen zweifelhaften Bezeichnungen und Marken wird letztlich immer eine Güterabwägung stattfinden. Dabei kann man sich eines merken: über Geschmack(losgkeit) läßt sich streiten – aber die Würde des Menschen bleibt unantastbar.

Mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Markenrecht betreut
Rechtsanwältin Eva Dzepina, LL.M., seit Jahren Mandate in der Beratung und Verteidigung von Marken.

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Eva N. Dzepina Rechtsanwältin für Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Internetrecht, Designrecht, Kunstrecht, IT-Recht, Domainrecht

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