Die Anerkennung von Werken und das Werksverzeichnis im Urheberrecht

Das Werkverzeichnis ist im Hinblick auf Kunstwerke ein wichtiges Instrument der Wertbildung im Urheberrecht. Nicht umsonst gibt es immer wieder Probleme wenn es um die Anerkennung von Kunstwerken als authentisch durch die entsprechenden Institutionen oder Sachverständigen geht. Was, aber, wenn ein Künstler selbst seine Werke aus einem Werkverzeichnis streicht?

Das Werkverzeichnis eines Künstlers, auch Catalogue raisonné oder Oeuvreverzeichnis genannt, ist wie die Filmografie eines Schauspielers. Hier werden nicht einfach nur alle Werke aufgeführt die der Künstler erschaffen hat, sondern man kann auch Einblicke in die Biografie und die Entwicklung des Künstlers gewinnen. Der deutsche Maler Gerhard Richter hat nun entschieden, einige seiner Werke nicht mehr in seinem Werkverzeichnis aufzuführen (siehe KuA Nr. 16, S 54).

Eigentlich nicht vollkommen überraschend, wenn man bedenkt dass der Künstler seine allerersten Werke auch mal ganz entspannt im Innenhof der staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf verbrannt hat. Seine westdeutsche Frühzeit will der Künstler nun offenbar einfach nicht mehr gelten lassen. In dieser Zeit zeigte Richter einen Stil, der ihm offenbar nun nicht mehr gefällt und den er scheinbar auch nicht mehr mit sich in Zusammenhang gebracht sehen möchte.

Aber sollen wir das dem Künstler überhaupt erlauben?

Darf ein Künstler frei darüber entscheiden, was in seiner künstlerischen Biografie aufgeführt wird und was nicht? Streicht ein Künstler einige Werke oder wie Gerhard Richter jetzt sogar eine ganze „Episode“ aus seinem Werksverzeichnis, dann spiegelt es nicht mehr das vollständige Lebenswerk wieder. Die künstlerische Biografie wird, insbesondere auch aus wissenschaftlicher Sicht, unvollständig.
Zudem stellt sich die Frage, was mit den aus dem Werkverzeichnis „ausradierten“ Werken passiert. Der Wert eines Bildes orientiert sich nämlich auch erheblich daran, ob es eben einem bestimmten Künstler zugeordnet werden kann und in dessen Werksverzeichnis aufgenommen wurde.

Bei Gerhard Richter, dessen Werke mit als die teuersten eines lebenden Künstlers auf dem Kunstmarkt gelten, könnte dies schon mal einen Unterschied von mehr als nur einer Null ausmachen. Wenn ein Künstler sein Kunstwerk schon selbst blöd findet, dann kann es einen besonders großen Wert auch nicht abbilden.
Schauspieler können sich auch nicht nachträglich aus Filmen streichen, auch wenn sie dies angesichts der bekannten Porno-Skandale ganz schön fänden. Wieso soll ein Maler dann seine Urheberschaft an einem Bild einfach streichen können? Wäre das Werk überhaupt noch ein Kunstwerk? Wäre es nur in seinem Wert gemindert, oder auch irgendwo beschädigt, verwaist oder vielleicht gar zerstört?

Im Urhebergesetz regelt § 13 das Urhebernennungsrecht

Ein Urheber unterliegt keiner Nennungspflicht. Er ist nicht dazu verpflichtet sein Werk als seine Schöpfung zu kennzeichnen. Grundsätzlich ist das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft aber auch unverzichtbar. Auch wenn diese Regelung aus dem Urhebergesetz in erster Linie dem Schutz des Urhebers dient, so ist doch die Kehrseite dieser Vorschrift, dass auch ein Interesse von Dritten an der Zuordnung eines Werks besteht. Vorgesehen ist zwar gemäß § 13 Satz 2 UrhG, dass der Künstler bestimmen kann, ob und wie er benannt oder im Umkehrschluss auch ob er eben nicht am oder auf dem Werk benannt werden will und welche genaue Bezeichnung er zu verwenden wünscht. So kann er etwa seinen Familiennamen, ein Pseudonym oder ein Künstlerzeichen verwenden.

Verzicht erlaubt?

Jedoch geht hiermit noch nicht einher, dass der Urheber auch auf seine Urheberschaft in toto – und zwar auch gegenüber der Öffentlichkeit – verzichten kann. Die Nennung des Künstlers und damit die Urheberschaft hat schließlich auch etwas mit der Anerkennung seiner Urheberschaft zu tun, die aus seinem Urheberpersönlichkeitsrecht folgt, welches bereits mit der Schöpfung des Werkes entsteht. Es ist auch keine irgendwie geartete Eintragung oder Anmeldung eines Urheberrechts erforderlich. Das entsteht nämlich per Gesetz, wenn die Voraussetzungen gegeben sind. Die Urhebernennung hat hierbei nicht nur eine ideelle sondern auch eine materielle Seite. Der Urheber kann den Erfolg  – und gegebenenfalls finanzielle Vorteile – nur für sich in Anspruch nehmen, wenn ihm sein Werk auch zugeordnet werden kann. Auch geht mit der Zuordnung des Werks ein gewisser Werbeeffekt für den Künstler einher.
In wenigen Fällen wird ein Urheber seinen Namen von dem Werk zurückhalten oder gar zurückziehen dürfen. Etwa wenn er anonym bleiben muss oder will, wie bei Ghostwritern oder einem Politiker, der erfolgreich Kitschromane schreibt. Der Urheber kann sich von seinem Werk auch nachträglich distanzieren, zum Beispiel wenn sein Werk entstellt wird. Denkbar ist das etwa bei der grottenschlechten und peinlichen Verfilmung eines Buches.

Das Nennungsverbot kann der Urheber aber nur hinsichtlich der Bezeichnung am Werk selbst aussprechen. Es kann etwa nicht untersagt werden, wenn jedermann über die Urheberschaft an dem Werk diskutiert.Wenn nun jemand ein Richtersches Werksverzeichnis im Internet veröffentlicht kann der Künstler nach den vorliegenden Umständen nicht verbieten, dass seine frühen Werke dort auch genannt werden. Denn dafür gibt es keinen Grund.

Keine Lust mehr – geht nicht

Das „sich-nicht-mehr-indentifizieren“ mit einem frühen Stil wird als Grund nicht ausreichen, sich von dem Werk zu distanzieren und seine Urheberschaft abzustreiten. Das mutet eher verschroben an. Ob das Bild dadurch, dass ihm die Urheberschaft entzogen wird, auch als „beschädigt“ oder gar zerstört gesehen werden könnte, ist diskussionswürdig.

Betrachtet man die juristischen Definitionen zu den Begriffen, so ist eine Sache zerstört, wenn ihre Gebrauchsfähigkeit aufgehoben ist. Beschädigt ist sie, wenn ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wurde. Ein Bild „ohne Urheber“ ist in seinem wesentlichen Gebrauchszweck zunächst immer noch nutzbar. Auch wenn der Name des Künstlers nicht mehr auf dem Bild steht oder dieser sich gänzlich losgesagt hat von seinem Werk, kann es dem Zweck dienen, Emotionen beim Betrachter zu wecken, zum Denken anzuregen oder einfach nur ziemlich gut in einem Raum auszusehen.

Aber ein Kunstwerk ist im urheberechtlichen Sinn nun einmal mehr als das. In einem Kunstwerk werden die Gedanken des Urhebers ausgedrückt (UrhG: persönliche geistige Schöpfung). Der Künstler möchte durch das Werk bei dem Betrachter eine Reaktion hervorrufen (UrhG: geistig-anregender Gehalt). Mit dem Werk wird – ob gewollt oder ungewollt – auch immer der Zeitgeist, die Geschichte transportiert. Einen entscheidenden Teil davon macht der Urheber aus. Der Charakter eines Menschen wird ebenso durch seine ganze Biografie ausgemacht, auch wenn diese Ereignisse oder Erlebnisse enthält, die er gerne streichen würde. Und schließlich macht auch erst die Gesamtheit der Werke das künstlerische Lebenswerk eines Künstlers aus.  Vielleicht macht der Entzug der Urheberschaft das Werk zur Waise und schädigt seine Seele?
Ob der Künstler sein eigenes Werk – zum Beispiel durch den Entzug der Urheberschaft? – einfach vernichten darf, so wie Gerhard Richter es mit einigen seiner Werke getan hat indem er sie verbrannte, ist wiederum eine andere Frage.

Eigentum versus Urheberschaft

Grundsätzlich gilt, dass der Eigentümer eines Kunstwerks die materiellen Rechte an dem Bild hält. Das Eigentum ist natürlich etwas anderes als die Urheberschaft. Das bedeutet, der Eigentümer kann das Kunstwerk verkaufen oder sogar auch vernichten, wenn er dies möchte. Solange also das Kunstwerk im Eigentum des Künstlers selbst steht kann er es auch zerstören. Sobald jedoch das Eigentum wechselt steht dem Künstler ein solches Recht nicht mehr zu. Da man unter Umständen sagen könnte, die Entziehung der Urheberschaft einem „urheberrechtlichen“ Zerstören gleichkommt, sollte doch auch dies nicht mehr möglich sein, sobald das Eigentum an dem Kunstwerk auf einen anderen als den Künstler übergegangen ist.

Der Urheber kann schließlich auch nach dem Verkauf nicht mehr auf seine Kunstwerke zugreifen, um diese in Flammen aufgehen lassen. Zumindest nicht, ohne sich schadensersatzpflichtig, wenn nicht sogar auch in strafrechtlicher Hinsicht (Hausfriedensbruch, Einbruch, Diebstahl, Sachbeschädigung usw.) schuldig zu machen.

Fazit

Im Zweifel kaufen die meisten Akteure ein Werk gerade weil es nun mal von einem bestimmten Künstler stammt. Gehypte Künstler können einen Knoten ins Taschentuch machen und es wird teuer. Insoweit sollte es, wenn man konsequent bleibt, vom Eigentumsschutz erfasst sein, dass ein Kunstwerk die dahinter stehende Urheberschaft behalten darf und nicht durch eine Laune des Künstlers an Wert verliert.

Sobald ein Kunstwerk einmal in der Welt ist und die Integrität behält sollte die Urheberschaft dem Künstler nicht mehr zur Disposition stehen. Auch wenn er es nicht mehr hübsch findet.

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)
Rechtsanwältin
www.borgelt.de
Mitglied des Instituts für Kunst und Recht, IFKUR e.V.

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Kunst und Auktionen.

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Eva N. Dzepina Rechtsanwältin für Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Internetrecht, Designrecht, Kunstrecht, IT-Recht, Domainrecht

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