Das Kopieren von anderen Kunstwerken oder die Neuinterpretation ist in der Kunst durchaus üblich. Wann jedoch ist dies ein urheberrechtlcih unzulässiger Vorgang und wann reine Kunst und damit zulässig? Dies hatte ein Gericht in Antwerpen zu entscheiden.

Ein Bild, eine Fotografie oder einen Gegenstand abmalen. Das lernt jedes Kind spätestens in der Schule im Kunstunterricht. In einer Kunstausstellung ist es bei weitem nichts ungewöhnliches, am Vormittag auf eine Horde Schulkinder zu stoßen die mit viel Eifer und Hingabe die Werke berühmter Künstler abmalen und nach ihrem Können und Empfinden aufs Papier bringen. Niemand stört sich an diesen aufs Papier gebrachten Werken. Zeichnet jedoch ein berühmter Künstler, wie der renommierte belgische Maler Luc Tuymans, das Foto einer professionellen Fotografin ab, auf der ein belgischer Politiker zu sehen ist, so ist direkt Land unter.

So geschehen 2011: Das Werk „A Belgian Politician“ von Tuymans, zeigt ein Portrait des belgischen Politikers Jean-Marie Dedecker. Das Werk basiert auf einer Fotografie, aufgenommen von Katrijn Van Giel. Luc Tuymans malte das Porträt mit seinen Lichtfacetten und fast in demselben Ausschnitt nach und veröffentlichte es. Die Fotografin wehrte sich dagegen. Sie sah in dem Gemälde ein Plagiat ihrer Aufnahme und wollte die weitere Veröffentlichung und Kopien des Gemäldes verbieten lassen. Luc Tuymans verteidigte sein Werk mit der Argumentation, es sei eine Parodie und damit keine Urheberrechtsverletzung sondern eine erlaubte Vervielfältigung bzw. Interpretation. Die Fotografin bekam im Januar 2015 von einem Gericht in Antwerpen Recht. Der Künstler wurde verurteilt, bei jeder zukünftigen Zuwiderhandlung – also jeder zukünftigen Kopie oder Veröffentlichung – 500.000 € Strafe zu zahlen. Das Gemälde durfte in Folge dessen nicht mehr veröffentlicht oder gehandelt werden.

Tuymans Argumentation einer erlaubten Parodie überzeugte die Richter nicht. Angesichts des Werks von Tuymans erscheint dies nicht ganz überraschend.

Benjamin Sutton berichtete am 20. Januar 2015 für Hypoallergic, dass der Rechtsanwalt von Luc Tuymans vortrug, dass dieser ein starkes Bildnis als Kritik an dem Rechtsruck der belgischen Gesellschaft zeigen wollte und das Werk als Parodie damit mehr sei als nur die gemalte Ausgabe des Ausgangsfotos. Van Giels Rechtsanwalt teilte diese Ansicht naturgemäß nicht. Besonders humorvoll – ein Wesenszug der Parodie – sei die Arbeit nämlich gerade nicht und dafür sei Tuymans auch nicht bekannt. Das Gericht sah dies ähnlich und verurteilte Tuymans, der gegen das Urteil jedoch Berufung einlegte.
Danach kam die Wende. Tuymans und Van Giel einigten sich. Man wolle die Auseinandersetzung als Künstler mit einem künstlerischen Weg beenden, so die beiden Urheber in einer gemeinsamen Mitteilung. Was genau damit gemeint ist bleibt unbekannt. Das Werk von Luc Tuymans kann somit jedenfalls wieder auf den Markt gebracht und gehandelt werden. Das dürfte den derzeitigen Eigentümer Eric Paul Lefkofsky besonders freuen.

Aber noch einmal zurück zu dem Ursprungsbild und der vermeintlich unberechtigten Kopie. Auf der Pressefotografie von Van Giel zu sehen ist der Politiker Jean-Marie Dedecker, eine Profilaufnahme von links. Der Bildausschnitt zeigte ihn ab dem Mund aufwärts, er hat kurze, graue Haare, die Augen scheinen fast ganz geschlossen. Der schwarze Hintergrund lässt das Profil stark und prägnant hervortreten. Und er schwitzt. Deutlich zeichnen sich auf der Stirn des Politikers Schweißperlen ab. Sie glänzen. Er hat eine kräftige Nase und tiefere Nasenfalten. Ein bisschen geschwollene Tränensäcke und Stirnfalten. Das Bildnis macht insgesamt einen grauen Eindruck. Obwohl der Politiker ganz gut gebräunt wirkt. Mehr sieht man nicht. Aber auch nicht weniger. Können Sie sich das Foto vorstellen? Durch diese Beschreibung ist es möglich, sich das Bild vorzustellen. Natürlich mit den eigenen Empfindungen, Erfahrungen und Wahrnehmungen. Aber es hat doch irgendwie mit der Beschreibung eine Wiedergabe stattgefunden. Ist es nicht so?

War diese Beschreibung vielleicht bereits auch eine unzulässige Vervielfältigung? Oder eine Bearbeitung? Und welche Formen der Vervielfältigung sind noch denkbar?

Unter eine Vervielfältigung im Sinne des Urheberrechts versteht man jede körperliche Festlegung des Werkes, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen. Das passt auch auf eine schriftliche Beschreibung. Durch das Schreiben wird die Darstellung körperlich festgelegt und ruft bei dem Leser eine Vorstellung hervor. Das Werk ist auf eine gewisse Art wahrnehmbar geworden.

Es könnte sich aber auch um eine Bearbeitung handeln. Für eine Bearbeitung sollte das neue Werk eine derartige Schöpfungshöhe, dass es selbstständigen Schutz als eigenes neues Werk für sich in Anspruch nehmen kann. Der Urheber muss sich erkennbar mit dem Werk auseinandergesetzt haben und seinem Werk einen sehr eigenständigen Stempel aufgedrückt haben. Dabei gilt: Je höher die Eigentümlichkeit des ursprünglichen Werkes, umso höher die Anforderungen an die Bearbeitung.

Wenn durch die Bearbeitung ein neues Werk entstanden ist bedeutet das jedoch nicht automatisch, dass eine Veröffentlichung desselbigen auch ohne weiteres zulässig ist. Sicherlich, für den privaten Gebrauch kann man so viele Bilder abmalen wie man möchte. Sobald ein abgemaltes Bild aber veröffentlicht werden soll, muss der Urheber dem zustimmen.

Wie sieht das mit der obigen schriftlichen Beschreibung der Fotografie aus? Hier wurde das Werk des Künstlers Tuymans als Vorlage genommen, es wurden sich Gedanken darüber gemacht und versucht, dem Leser „ein Bild“ zu vermitteln. Das Werk wurde in ein anderes Medium, ein Sprachwerk, transferiert. Eine Bearbeitung könnte in diesem Zusammenhang angenommen werden. Wird beispielsweise eine literarische Figur visualisiert, etwa in einem Film oder in einem Comic, kann darin auch eine Bearbeitung liegen. Da das beschriebene Foto aber im Vergleich zum Original nur grob skizziert wurde und die das Werk bezeichnenden Züge derart in den Hintergrund gerückt sind, liegt eine freie Benutzung vor. Die Beschreibung stellt ein eigenes Werk dar, lediglich der Inhalt ist an das Bildnis angelehnt. Eine freie Benutzung liegt immer dann vor, wenn angesichts der Eigenart des neuen Werks die entlehnten, eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen. Das neue Werk kann dann ohne die Zustimmung des Urhebers veröffentlich und verwertet werden. Das Bild dient hier nur als Anregung, die Beschreibung selbst ist eigenständig.

Würde man im obigen Fall die reine schriftliche Beschreibung jedoch als eine unzulässige Vervielfältigung ansehen, so führte das Urheberrecht zu einer großen Einengung und jene, für die Sprache und Schrift ein elementarer Bestandteil ihrer beruflichen aber auch privaten Lebensgestaltung ist, wären erheblich eingeschränkt.

Es ist denkbar, dass bei Umsetzungen in andere Medien Urheberrechtsverletzungen zustande kommen können. Im Fall Van Giel/Tuymans geht es ja in beiden Fällen auch noch um optisch wahrnehmbare bildliche Darstellungen. Ob das Gemälde Tuymans einen derart eigenständigen neuen Charakter aufweist, dass das Originalwerk dahinter zurück tritt ist dennoch fraglich. Ideen aus dem Alltag und von anderen kriegen ist ja fein. Auch Parodien und Kritik müssen möglich sein.
Man sollte es sich aber trotzdem nicht allzu einfach machen.

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)
Rechtsanwältin
www.borgelt.de
Mitglied des Instituts für Kunst und Recht, IFKUR e.V.

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Kunst und Auktionen.

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Eva N. Dzepina Rechtsanwältin für Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Internetrecht, Designrecht, Kunstrecht, IT-Recht, Domainrecht

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