Kann man gekaufte Kunst einfach so zurück geben, wenn sie einem nicht mehr zusagt? Mitunter könnte dies rechtlich wirksam in einem Vertrag vereinbart werden. Beim Kunstkauf sind solche Regelungen zwar nicht üblich aber kommen durchaus vor. Ist so ein Rückgaberecht aber zeitlich unbegrenzt haltbar?
Das Landgericht München I musste sich, laut Süddeutsche Zeitung am 10. März 2015, dieses Jahr mit einem eher ungewöhnlichen Fall beschäftigen. Der Erwerber des Ölgemäldes „Orpheus“ (knapp 70 Kilo, ca. 1,30 x 1,60) des Künstlers Markus Lüpertz wollte das Objekt der Galerie Terminus in München, bei der er es ungefähr zehn Jahren zuvor gekauft hatte, zurückgeben und sein Geld ausgezahlt bekommen – rund 72.900 Euro.
Der in Reichenberg geborene Markus Lüpertz ist als Maler, Grafiker und Bildhauer einer der bekanntesten deutschen Künstler der Gegenwart. Da fragt man sich, was ist nach 10 Jahren passiert, dass man auf die Idee kommt, ein Kunstwerk einfach so zurückgeben zu wollen – und zu können?
Nach dem Bericht der Süddeutschen war der Grund für die Rückgabe, dass dem Käufer das Gemälde eigentlich nie so richtig gefallen und sich der Wert des Bildes in den zehn Jahren nicht wie erwartet gesteigert habe. Es ist nur natürlich, das man als Käufer von Gegenwartskunst hofft, dass sich das Kunstwerk im Laufe der Jahre in der Regel in seinem Wert steigert, wenn der Künstler bekannter und gefragter wird. Schließlich erwirbt man nicht nur das Objekt an sich, sondern auch ein Stück der Persönlichkeit und des Potentials des Urhebers.
Da er keinen Kaufinteressenten habe finden können, sei dem Sammler nichts anderes übrig geblieben als das Bild zurückzubringen, zumal die Parteien ausdrücklich ein Rückgaberecht vereinbart hätten.
Und tatsächlich: es war zwischen der Galerie und dem Käufer unstreitig vereinbart wordem, dass der Käufer das Gemälde „jederzeit“ wieder an die Galerie zurückgeben könne und den Nettokaufpreis dafür zurück erhalte. Diese Vereinbarung sei, so die Süddeutsche, nach Auffassung der Galerie jedoch nur getroffen worden, da es sich bei dem Käufer um einen besonderen Kunden handelte. Dass dieses Rückgaberecht nur durch Geschmacksfragen und das Ausprobieren des Kunstwerks zuhause bedingt sein und nicht ewig gelten sollte, wie die Galerie es sah, war dem Käufer wohl nicht deutlich genug vermittelt worden.
Die Parteien stritten also vor Gericht über die Dauer des Rückgaberechts, da die Galerie der Ansicht war, es könne nicht ewig bestehen und die Rückabwicklung außergerichtlich ablehnte. Letztlich musste sich das Münchener Gericht diese Frage leider nicht entscheiden, da die Parteien sich einigten. Das Gericht erteilte, so die Süddeutsche, den Hinweis dass es hier um eine umstrittenes Problem handele – wie eigentlich fast alles in der Juristerei –, das obergerichtlich noch nicht entschieden wurde. Einige E-Mials der Galerie könnten durchaus so verstanden werden, dass ein Rückgaberecht immer noch gelte. Das Gericht schlug den Parteien vor, den Kauf rückabzuwickeln und dass jeder seine Kosten selbst trägt. So wurde es dann auch gemacht.
Wie solche Fälle von eventuell bestehenden Rückgaberechten nun juristisch zu bewerten ist, hängt wie immer vom jeweiligen Einzelfall ab. Das Rücktrittsrecht bewirkt die Rückgängigmachung eines wirksam zustande gekommenen Vertrages durch die einseitige Erklärung einer Vertragspartei auf Grund einer vertraglichen oder gesetzlichen Befugnis zum Rücktritt. Der ursprüngliche Vertrag wird also rückabgewickelt und die empfangenen Leistungen der Parteien jeweils zurück gewährt, vgl. § 346 I BGB. Es wird unterschieden zwischen dem vertraglichen und dem gesetzlichen Rücktrittsrecht.
Ein gesetzliches Rücktrittsrecht kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da es sich bei einer fehlenden Wertsteigerung eines Gemäldes nicht um einen Beschaffenheitsmangel im Sinne des § 434 BGB handelt. Ein Sachmangel liegt nämlich nur vor, wenn die vereinbarte Beschaffenheit nicht geleistet wurde oder die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Auch das spätere oder immer schon bestehende Missfallen des Bildes begründet keinen Sachmangel gemäß § 434 BGB.
In Frage käme aber ein vertragliches Rücktrittsrecht, welches aufgrund der Vertragsautonomie (Vertragsfreiheit) im bürgerlichen Recht vereinbart werden kann. § 346 I BGB erfordert für ein vertragliches Rücktrittsrecht eine schuldrechtliche Vereinbarung, den sogenannten Rücktrittsvorbehalt. Diese Vereinbarung kann sowohl ausdrücklich, als auch konkludent – also stillschweigend, durch schlüssiges Verhalten – vereinbart werden. Die Parteien des Lüpertz-Streits hatten selbst vorgetragen, dass eine solche Vereinbarung getroffen wurde, so dass ein vereinbartes Rücktrittsrecht grundsätzlich bestand. Problematisch ist nur, wie lange ein vertragliches Rücktrittsrecht besteht oder ob es beispielsweise verjährt oder verwirkt wird.
Da das Rücktrittsrecht ein Gestaltungsrecht ist, ist es unverjährbar. Es ist kein höchstpersönliches Recht und kann mit anderen Vertragsansprüchen übertragen werden. Allerdings kann für das vertragliche Rücktrittsrecht eine Ausschlussfrist gemäß § 355 BGB gesetzt werden oder es tritt eine Verwirkung ein, gemäß § 349 BGB. Eine Ausschlussfrist wurde unter den Parteien weder ausdrücklich vereinbart, noch wurde seitens der Galerie dem Käufer offenbar eine Rückgabefrist gesetzt. Wenn keine Frist zwischen den Parteien vereinbart wurde, dann kommt noch die Verwirkung des Rücktrittsrechts in Betracht. Man hat ein Recht, zum Beispiel ein Rücktrittsrecht, immer dann verwirkt, wenn der Berechtigte sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingestellt hat und sich aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einstellen konnte, dass dieser auch in der Zukunft sein Recht nicht mehr geltend machen wird. Das kann etwa sein, wenn der Berechtigte im vorliegenden Fall mehrere Ausstellungen mit dem Gemälde bestückt hat oder jahrelang überall herumerzählt, dass es sein Gemälde ist.
Der Einwand der Verwirkung ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Einwands von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Treu und Glauben ist ein Rechtsinstitut, das man lose mit „weil sich das einfach so gehört und alles andere eine Frechheit wäre“ übersetzen kann.
Laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshof ist nach Treu und Glauben ein Recht verwirkt, wenn sich ein Schuldner über einen gewissen Zeitraum hin wegen der Untätigkeit seines Gläubigers bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen und deswegen die Geltendmachung des Rechts gegen Treu und Glauben verstößt. Das Verstreichen eines längeren Zeitraums kann aber die Verwirkung eines Rechts nicht allein begründen (BGH Urteil vom 18.10.2001, AZ: I ZR 22/93). Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts treuwidrig erscheinen lassen. In dem geschilderten Lüpertz-Fall sind außer dem zeitlichen Umstand (zehn Jahre) keine weiteren Umstände, die für eine Verwirkung sprechen würden, bekannt. Man weiß nicht, ob die Parteien etwa in den zehn Jahren den Kontakt aufrechterhalten und eine mögliche Rückgabe ab und zu diskutiert haben. Auch nicht, ob der Käufer immer mal wieder erwähnt hat, dass er das Bild gar nicht mag. Daher kann für diesen Fall leider nicht beurteilt werden, ob der Käufer einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat, aufgrund dessen die Galerie nicht damit rechnen musste, dass er das Bild zurückgeben will.
Offenbar tendierte das Landgericht München I latent zu einem bestehenden Rücktrittsrechtecht, da der E-Mail-Verkehr zwischen den Parteien darauf hindeutete, dass das Rücktrittsrecht gerade nicht zeitlich begrenzt war. Auch wenn man bedenkt, dass die Rückgabe-Option, wie die Galerie nach dem Bericht der Süddeutschen selbst bestätigte, nur besonderen vertrauenswürdigen Kunden angeboten wird, sollte man sie auch eher kundenfreundlich auslegen. Auch wenn sowas schon fast aussieht wie ein zinsloses Darlehen gegenüber der Galerie oder eine Leihe.
An sich ist eine solche Option für einen Sammler nur vorteilhaft, da er ein erworbenes Kunstwerk jederzeit der Galerie seines Vertrauens zurückgeben und seine Wohnung alle Jubeljahre neu einrichten kann. Für die Galerie ist es allerdings nur vorteilhaft, wenn der Kunde dann auch bei ihr nur eine Rückgabe mit Umtausch vornehmen darf und zwar zu dem Preis, den das alte Kunstwerk damals hatte. So könnte die Galerie eventuelle Wertseitgerungen abschöpfen.
Unter dem Strich lässt sich einmal mehr sagen, dass es immer sicherer ist, die wichtigen Eckpunkte einer Vereinbarung – wenigstens stichpunktartig wenn schon nicht in einem vom Anwalt ordentlich formulierten Vertrag – schriftlich und genau zu regeln. Dann bringt einem auch keiner einen 70 Kilo schweren Lüpertz nach zehn Jahren wegen andauernden Nichtgefallens zurück.
Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)
Rechtsanwältin
www.borgelt.de
Mitglied des Instituts für Kunst und Recht, IFKUR e.V.
Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Kunst und Auktionen.
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