Ausnutzen von Kunst

Wieder einmal wurde Kunst unerlaubt zum Dekorationsobjekt, und zwar in den USA wo solche Fälle angesichts der Vielzahl der anhängig gemachten Verfahren in den letzten Jahren offenbar üblich sind.
Kylie Jenner ist ein Spross der amerikanischen Familie Jenner/Kardashian, deren Mitglieder die multimediale Vermarktung im Wesentlichen mittels intimer Fernsehdokumentationsserien, kosmetischer Operationen, Modefotos, sozialen Netzwerken und dem Verkauf von Mode- sowie Kosmetikprodukten perfektioniert haben und damit finanziell sehr erfolgreich sind. Ausweislich des Forbes Magazines verdiente Kylie Jenner ca. 3,6 Millionen Dollar mit Werbung auf Instagram im Jahr 2016. Jedes ihrer Postings soll nach Angaben von Forbes mindestens 200.000 Dollar wert sein.

Die Unternehmen rund um die Vermarktung des 19-jährigen Reality TV- und Instagram-Stars und Kylie Jenner selbst haben bereits häufiger juristischen Ärger wegen Urheberrechtsverletzungen gehabt. Nachdem Jenner mehrfach die Fotos der bekannten Make-up-Artistin Vlada Haggerty auf Instagram kopiert oder nachgestellt hatte, ohne auf die Urheberin hinzuweisen, reichte Haggerty Ende 2016 Klage ein. Die Fotos stellten im Wesentlichen Lippen dar, die besonders geschminkt waren und an denen Farbe heruntertropft. Besonders pikant wird die Sache, wenn man bedenkt, dass Jenner eine eigene Kosmetiklinie herausbringt und auf ihrem Instagram Account dafür wirbt. Auch hier sind farbtriefende Lippen zentrales Dekorationsmotiv. Angekündigte und eingereichte Klagen handelte sich Jenner 2017 ebenfalls von dem Fotograf oder den Nachlassverwaltern verschiedener Musikstars ein als sie für ihre Modelinie deren ikonische Fotos mit eigenen Instagram-Fotos auf T-Shirts überdruckte. Der Verkauf der T-Shirts wurde eingestellt, die Verfahren laufen.

Rechtsverletzung auf Instagram

Und wieder bekommt Jenner ein Problem mit abtropfenden Lippen. Nachdem im Mai 2017 ihre neue Reality-Fernsehserie anlief erkannte die Londoner Künstlerin Sara Pope ihr Kunstwerk „Temptation Neon“, das sie Ende 2015 fertig stellte und auf ihrem Instagram Account postete und das seitdem immer populärer wurde. Das Werk ist Teil einer Serie Neon Lips, Ölgemälde von glänzenden Lippen in verschiedenen Perspektiven und Haltungen im Pop-Art-Stil, an denen die Lippenfarbe heruntertropft. Die Lippenumrisse werden von leuchtenden Neonröhren umrandet. Das betroffenen Werk „Temptation Neon“ zeigt pink geschminkte Lippen eines teilweise geöffneten Mundes, bei der die Vorderzähne sichtbar sind und wobei der linke Vorderzahn in die Unterlippe beißt und diese nach oben festhält. Die Neonröhre leuchtet weiß, der Hintergrund ist rot. Zu sehen ist das Original-Kunstwerk von Pope, das bereits verkauft ist, auf ihrer Internetpräsenz unter der URL http://sarapopeart.com/neon-lips/?_gallery=gg-2-208. Drucke des Werks sind noch zu haben.
Ein sehr ähnliches Bild von glänzenden, farbtriefenden Lippen umrankt von einer Neonröhre ist am Beginn des Trailers für die Fernsehserie von Jenner zu sehen, auch überall in den sozialen Netzwerken, in denen für die neue Serie geworben wird.

Pope verklagte nun Jenner sowie die verschiedenen Fernsehproduktionsfirmen, die sich für die Serie verantwortlich zeichnen wegen Urheberrechtsverletzung. In ihrer Klageschrift nimmt sie Bezug auf die oben aufgeführten anderweitigen Urheberrechtsprobleme, die Kylie Jenner wegen beanstandeter Rechtsverletzungen hat und hatte. Pope macht geltend, dass Jenner eine Marke auf der Grundlage von Kunst habe kreieren wollen, die Glamour und Intimität ausstrahle. Mit ihrem Kunstwerk Temptation Neon hätte die Beklagte ein solches Bildnis gefunden und es ohne Berechtigung und auch ohne Nennung der Künstlerin Pope verwendet, um daraus Profit zu schlagen.

Die Gegenüberstellung der beiden Abbildungen zeige starke Ähnlichkeiten: glänzende, leuchtendfarbige Lippen in derselben Stellung und Perspektive sowie sie umrandende Neonröhren und triefende Lippenfarbe.

Die Klage

In der Klageschrift beschreibt Pope, dass Künstler wie sie auf die Anerkennung ihrer Werke und deren Originalität angewiesen seien, damit ihre Kunst werthaltig bleiben. Die Beklagten würden ihre Arbeit hingegen zu ihren Lasten und für den eigenen Gewinn ausnutzen.

Pope fordert mit ihrer Klage als ausschließliche Inhaberin des Urheberrechts Unterlassung der unberechtigten Nutzung des Bildes, um weiteren Schaden zu verhindern. Dazu kommt die Forderung nach Vernichtung und Löschung sämtlicher unberechtigter Kopien in jeglicher Form, Auskunft zu sämtlichen Umsätzen und Gewinnen im Zusammenhang mit der Nutzung des Lippenwerks, die Herausgabe von Gewinnen sowie einen Strafschadensersatz wegen der unerlaubten Handlung der Beklagten.

Fazit

Man darf gespannt sein, ob die Beklagten den Rechtsstreit mittels eines lukrativen Vergleichs verpuffen lassen. Solche Vorgehensweisen wurden oft in der Vergangenheit in ähnlich gelagerten Fällen von Kunst v. Kommerz beobachtet. Dabei wird es wohl auf die Finanzkraft und den Grad des Ehrgefühls der Künstlerin Pope ankommen. Es wäre jedoch schön, wenn wenigstens hier das Gericht sein Lippenbekenntnis abgeben dürfte.
Die Klageschrift ist hier abrufbar.

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)
Rechtsanwältin
www.borgelt.de
Mitglied des Instituts für Kunst und Recht, IFKUR e.V.

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Kunst und Auktionen.

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Eva N. Dzepina Rechtsanwältin für Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Internetrecht, Designrecht, Kunstrecht, IT-Recht, Domainrecht

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