Normalerweise ist in Authentizitäts-Streitigkeiten um Kunstwerke immer auch mindestens ein toter Künstler involviert. Wenn nicht sogar noch ein toter Kopist dazu. Nicht so in Illinois, USA. Hier kann man auch lebende Künstler dazu verklagen, ein Gemälde als ihres anzuerkennen. Insbesondere dann, wenn es um viele Millionen Dollar geht.

Peter Doig, einer der teuersten zeitgenössischen Künstler dessen Gemälde in der Regel für über 10 Millionen Dollar gehandelt werden, hatte eine bewegte Jugend. In den 1970ger Jahren probierte man halt mal LSD. Nun behauptet ein ehemaliger Gefängniswärter, Robert Fletcher aus Ontario, Kanada, dass er Doig 1976 ein frühes Werk (Öl auf Leinwand) für 100 Dollar abgekauft haben will, welches er 16-jährig während seiner Zeit als Insasse in einer Jugendstrafanstalt in Ontario, Kanada, gemalt habe. Doig jedoch verneint, das fragliche Bild gemalt und jemals in dieser Haftanstalt eingesessen zu haben. Zu dieser Zeit sei er im College in Toronto gewesen. Der Eigentümer des Bildes verklagt nun, zusammen mit einem Galeristen, der das Werk für ihn an den Mann bringen will, Doig und seinen Galeristen auf mindestens 5 Millionen Dollar Schadensersatz sowie auf die Anerkennung des Werks als eigenes. Durch Doigs Weigerung das Werk anzuerkennen seien ein Millionendeal und eine Auktion des Gemäldes in Chicago, Illinois, geplatzt.

Nun muss Doig sich vor Gericht darüber erklären, wo er vor 40 Jahren gewesen ist und was er gemacht hat wenn er nicht in der Haftanstalt wegen LSD-Besitzes eingesessen hat, wie der Kläger – der seinen Rechtsstreit mit Hilfe von mehreren Investoren finanzieren lässt – behauptet. Denn das Gericht in Illinois hat den Rechtsstreit durch Beschluss trotz eines Zurückweisungsantrags durch Doig zugelassen. Obwohl weder Doig noch Fletcher in Illiois leben, sondern in Trinidad bzw. Ontario, Kanada. Da half auch das Argument Doigs nicht, dass er mit Illinois oder irgendwelchen in Illinois lebenden Personen niemals in seinem Leben Berührungspunkte hatte und dort nie gewesen sei. Alle Nachweise betreffend die streitgegenständlich Zeit befänden sich – gerade für die Kläger – außerdem in Ontario, Kanada, wo auch der Kläger lebe. Das Gericht hielt es aber für ausreichend, dass Doigs mitverklagte Galeristen sich gegen Auktion von Doigs angeblichem Gemälde unter dessen Namen gewehrt und dazu mit dem Auktionshaus in Illinois Kontakt aufgenommen hatten. Außerdem sitze Fletchers Galerie in Illinois. Schließlich habe die Galerie auch einen Schaden erlitten, wenn sich die Behauptungen der Kläger als wahr herausstellten. Deshalb seien die Gerichte in Illinois zuständig.

Nun wird es einen Streit um den tatsächlichen Aufenthaltsort Doigs von vor 40 Jahren geben. Die besondere Kuriosität des Falles wird dadurch deutlich, dass es tatsächlich zu dieser Zeit einen – mittlerweile verstorbenen – Insassen in der Haftanstalt gegeben hat, der Peter Edward Doige hieß, 4 Jahre älter als der Künstler Peter Doig war und der, wie seine Schwester eidesstattlich versichert, während der 1970ger Jahre in der fraglichen Haftanstalt Fletchers einsaß, dort Kunstkurse belegte und Bilder malte. Sie habe sogar ein Bild einer Wüstenszene ihres Bruders, das dem von Fletcher ähnele.

Pikant erscheint noch, dass die Kläger Doig offenbar im Vorfeld des Rechtsstreits nicht nur dazu aufforderten, seine Autorenschaft zu erklären sondern ihm auch subtil drohten. Es existieren E-Mails in denen die Galerie Fletcher’s erklärt, dass sie für Fletcher nur einen fairen Preis für das Gemälde erreichen und nichts aufbringen wolle, dass Doig vertraulich halten wolle. Es sei schließlich unangenehm für jemanden, der wegen Drogenmißbrauchs vorbestraft war und dies bei seinen Einreisen in die USA immer verschwiegen habe. Doig habe an seinem Lebenslauf herumgedoktort damit er zur Kunsthochschule zugelassen werden konnte.

Dass Künstler sogar eigenmächtig eigene Werke aus ihrem Werksverzeichnis streichen ist spätestens seit Gerhard Richter bekannt, der einfach mal ohne weitere Diskussion ein paar Werke aus seiner westdeutschen Frühzeit später aus dem Verzeichnis ausschloss und damit einen herben Wertverlust verursacht haben dürfte. Auch Picasso hat die Autorenschaft am als minderbemittelt bewerteten Werk „La Douleur“, das nichts anderes als einen Blow-Job in Blauer Phase darstellt, einst abgelehnt.

Aber was, wenn nur aufgrund einer schwierigen Beweislage, wegen der Vernichtung 40 Jahre alter behördlicher Dokumente oder verstorbener Zeitzeugen ein lebender Künstler dazu verurteilt wird, ein Kunstwerk als das seine anzuerkennen, wenn er es doch nicht geschaffen hat? Das kann kein akzeptables Ergebnis sein. So etwas muss über die Beweislast gelöst werden. Diese muss in erheblichem Maß bei dem liegen, der sie aus finanziellen Interessen behauptet. Schließlich behauptet der Eigentümer eines Bildes die Provenienz im Wesentlichen, wenn nicht ausschließlich, aus Spekulationsinteresse. Für den Künstler geht es aber darum, seine Integrität zu schützen, so dass sein Name nicht für das Werk eines anderen stehen muss – und zwar für immer. Da ist das Geld, dass der Eigentümer des vermeintlichen Millionenwerks erzielen will, wesentlich schneller ausgegeben.

Der Beschluss des United States District Court for the Northern District of Illinois ist hier im Internet nachzulesen.

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)
Rechtsanwältin
Mitglied des Instituts für Kunst und Recht, IFKUR e.V.

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Kunst und Auktionen.

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