Einen äußerst interessanten Fall zu einem Ausstellungskonzept hat das Landgericht München I am 31. Januar 2018 (Az.: 37 O 17964/17) in einem Eilverfahren entschieden.

Die Verfügungskläger und Kuratoren der Ausstellung „Mythos Hi.“, die 2016 als Teil des Polizeimuseums im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt zu sehen war, forderten im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens Unterlassung gegen die Verfügungsbeklagte und Administratorin einer Facebook Gruppe mit dem Namen „Hi.“.

Beides, Ausstellung und Facebook Gruppe, hat einen ungeklärten historischer Mordfall aus dem Jahr 1922 zum Gegenstand. Am Abend des 31. März 1922 wurden auf einem Einödhof in Bayern 6 Menschen erschlagen, wobei der Fall der Fall trotz jahrzehntelanger Ermittlungen nie aufgeklärt werden konnte. Historiker, Kriminalisten und Privatleute beschäftigen sich seit Jahrzehnten intensiv mit diesem Fall. Die Kuratoren betreiben zu dem Fall einen Internet-Blog unter der Domain „www.hinterkaifeck.net“, auf dem Informationen, Archivdaten und Erkenntnisse zu von unterschiedlichen Personen zusammengetragen werden.

Die Kuratoren erstellten ein Ausstellungskonzept für das Bayerische Armeemuseum, nach dem der ungelöste Fall dem Ausstellungsbesucher aus Sicht eines ermittelnden Polizisten der damaligen Zeit in drei Themenbereichen dargestellt wird. Die Kuratoren beschafften und wählten Exponate und teilten Sie in den Ausstellungsräumen auf. Auch wurden Texte geschrieben und Schautafeln gestaltet, zum Teil als Aufsteller in Form der Silhouette eines Polizisten in historischer Uniform. Etwa erforderliche Lizenzen für bestimmte Darstellungen besorgten die Kuratoren ebenfalls.

Einzelne Fotos der Ausstellung wurden mit Genehmigung der Kuratoren in der Presse veröffentlicht. Fotos einiger Exponate und Grafiken hatten die Kuratoren auch schon vor der Ausstellung auf ihrer Internetseite „www.hinterkaifeck.net“ öffentlich zugänglich gemacht.

Nachdem die Verfügungsbeklagte und Facebook-Gruppen-Administratorin die Ausstellung besucht hatte postete sie in ihrer Facebook Gruppe einhundertneunzehn selbstgeschossene Fotos der Ausstellung, Räume, Exponate und Tafeln. Dies betitelte sie unter anderem wie folgt: „Ihr bekommt die gesammelten Fotos, die so ziemlich alle Exponate umfassen“.

Die betroffene Facebook Gruppe war eine geschlossene Gruppe mit ca. 390 Mitgliedern, zu denen aber jeder Anfragende Zugang erhielt.

Nachdem einer der Kuratoren die Fotos in der Facebook-Gruppe entdeckt hatte und die Administratorin diese nicht löschen wollte, ließ er alles durch Facebook löschen. Die Administratorin reagierte mit der Ankündigung: „Nun aber werde ich für das Recht kämpfen, diese Fotos immer und überall jedermann zugänglich machen zu dürfen. Schon aus Prinzip.“

Nach einer erfolglosen Abmahnung zogen die Kuratoren gegen die Administratorin vor Gericht.

Die Kuratoren argumentierten, das Konzept der Ausstellung und dessen Umsetzung sei ein urheberrechtlich geschütztes Sammelwerk, § 4 UrhG. Die Gestaltung der Ausstellung sowie ihre grafischen Elemente seien Werke der bildenden Kunst, § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Die zweiundvierzig von den Kuratoren erstellten Texte seien als Schriftwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützt. Mit der öffentlichen Zugänglichmachung auf Facebook verletze die Administratorin die Rechte der Kuratoren und sei daher zur Unterlassung verpflichtet.

Hiergegen wendete sich die Facebook-Administratorin. Sie argumentiert, die Kuratoren hätten das Ausstellungskonzept gar nicht eigenständig erstellt, denn es sei unter Mitwirkung der Community des Blogs „www.hinterkaifeck.net“ und durch die Verwendung der Erkenntnisse verschiedener Internet-Nutzer entstanden. Der thematische Aufbau der Ausstellung sei durch die Chronologie natürlich vorgegeben und folge den öffentlichen Diskussionssträngen der Nutzergroppen in verschiedenen Internetforen, insbesondere eines bestimmten Internetnutzers, der das Miturheberrecht an dem Konzept habe – genau wie die Grafiker und Maler einiger Ausstellungsstücke.

Außerdem habe die Administratorin die Fotos in einer von ihr selbst gewählten Reihenfolge gemacht und damit die Anordnung der Kuratoren nicht wiedergegeben. Auf den Fotos seien überwiegend einzelne Exponate zu sehen, die bereits vorher im Internet zu sehen waren.

Das Urteil

Trotz all dieser Argumente entschied das Landgericht zugunsten der Kuratoren und erließ ein Unterlassungsgebot gegen die Administratorin.

Bei der Ausstellung „Mythos Hi.“ handele es sich durchaus um ein Sammelwerk,  § 4 Abs. 1 UrhG.

Ein Sammelwerk liege vor, wenn Auswahl oder Anordnung der einzelnen Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sei. Bei einer Ausstellung sei eine schöpferische Leistung in der Regel zu bejahen, wenn sie sich nicht auf die Präsentation mehr oder weniger zufällig zusammengetragener Objekte beschränke.

Dabei sei es unerheblich, ob einzelne Bestandteile der Ausstellung von Dritten stammen oder bereits zuvor veröffentlicht worden waren. Denn allein maßgeblich sei die „kreative Auswahl und Anordnung“ dieser Bestandteile.

Die Ausstellung „Mythos Hi.“  Sei gerade keine zufällige Ansammlung zusammengetragener Objekte. Eine besondere Individualität sei bereits dadurch gegeben, dass der Ausstellungsbesucher in die Rolle eines zur damaligen Zeit ermittelnden Polizisten versetzt werde. Ferner weise die Ausstellung originelle Präsentationsansätze auf, wie etwa eine Brettertür, durch deren Zwischenräume der Besucher einen Blick auf den nachempfundenen Tatort werfen kann, durch Schattenrisse oder auch durch die Aufsteller in Form eines Polizisten. Einheitliche stilistische Elemente erzeugten hierbei ein „einheitliches, einprägsames ästhetisches Gesamtbild“, welches als gestalterische Leistung der Kuratoren beurteilt werden kann.

Wenn die Administratorin behaupte, ein weiterer sei an der Konzeption der Ausstellung beteiligt gewesen, sei dies irrelevant, da die Kuratoren zumindest Miturheber seien.

Es sei auch egal, dass die Administratorin die Fotos in eine geschlossenen Facebook-Gruppe gepostet habe. Diese Gruppe sei trotzdem als Öffentlichkeit zu qualifizieren.

Zwar sei eine Personenmehrzahl dann nicht öffentlich, wenn der Kreis der Personen bestimmt abgegrenzt sei und die Personen entweder untereinander oder durch denjenigen, der das Werk verwertet, persönlich verbunden sind. Da bei der betroffenen Facebook-Gruppe kein enger gegenseitiger Kontakt zwischen den Gruppenmitgliedern bestehe und die Gruppenmitglieder der Administratorin im Wesentlichen unbekannt seien komme diese Ausnahme nicht zum Tragen

Auch wenn es der Administratoren nicht zu verwehren sei, einzelne Fotografien von ihrem Ausstellungsbesuch innerhalb der Facebookgruppe zu teilen, finde dies jedoch eine Grenze. Diese sei erreicht, wenn „das Gewebe der persönlichen geistigen Schöpfung des Sammelwerkes“ zu erkennen sei. Und so habe der Fall hier gelegen:

Die Fotografien deckten nach eigener Aussage der Administratorin „so ziemlich alle Exponate“ der Ausstellung vollständig ab. Auch die thematische und inhaltliche Aufteilung und Anordnung des Stoffes sei klar auf den Fotos zu erkennen gewesen.

Es bestehe weiterhin die Gefahr, dass eine „nicht unerhebliche Anzahl von Personen wegen der Möglichkeit der Betrachtung nahezu aller Exponate im Internet davon absehe, die Ausstellung“ zu besuchen. Die Administratorin beharre hartnäckig auf ihrem Recht, die Fotos weiterhin immer und überall zugänglich zu machen. Daher liege eine Dringlichkeit vor und das Verbot der öffentlichen Zugänglichmachung der Fotos sei im Eilverfahren auszusprechen.

Das Landgericht München I hat klargestellt, dass Ausstellungskonzepte und Ausstellungen selbst auch urheberrechtlich geschützt sein können. Zwar wird die reine Abbildung einer Ausstellung ohnehin nie das Erlebnis eines Besuchs ersetzen können. Trotzdem ist ein wichtiger Punkt gesetzt, wenn die unautorisierte Dokumentation einer Ausstellung im Internet auch rechtlich abgestraft wird.

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK)
Rechtsanwältin
www.borgelt.de

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Kunst und Auktionen.

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Eva N. Dzepina Rechtsanwältin für Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Internetrecht, Designrecht, Kunstrecht, IT-Recht, Domainrecht

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