Die fristlose Kündigung eines seit elf Jahren unbeanstandet bestehenden Arbeitsverhältnisses kann wegen des dadurch erworbenen „Vertrauensguthabens“ unwirksam sein.

Durch das am 27. April 2010 verkündete Urteil (Az. 7 Sa 1418/10) entschied das Landesarbeitsgericht NRW über den Fall eines 1956 geborenen Arbeitnehmers in der Produktionsvorbereitung. Er stellte wegen dringender privater Angelegenheiten einen kurzfristigen mündlichen Urlaubsantrag. Nachdem dieser abgelehnt wurde, beurlaubte sich der Arbeitnehmer für einige Tage selbst. Daraufhin kündigte ihn der Arbeitgeber fristlos zum 21. Mai 2010 und hilfsweise fristgerecht zum 30. September 2010.

In erster Instanz entschied das Arbeitsgericht Düsseldorf (Az. 13 Ca 3479/10), dass die Kündigung unwirksam sei. Eine Abmahnung des Arbeitnehmers hätte ausgereicht um den weiteren störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu gewährleisten. Aus diesem Grund sei auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung unwirksam.

In dem Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf wurde die fristlose Kündigung ebenfalls für unwirksam befunden. Eine Selbstbeurlaubung stelle zwar eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, die grundsätzlich geeignet sei die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Jedoch ergebe die gebotene Interessenabwägung, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner elfjährigen beanstandungslosen Tätigkeit ein „Vertrauensguthaben“ erworben habe weil er sich als pflichtbewusster Arbeitnehmer erwiesen hat. Bei der Interessenabwägung wurde auch berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer aufgrund seines Alters und der fehlenden Berufsausbildung erhebliche Schwierigkeiten haben wird eine neue Stelle zu finden und dass er gegenüber einem minderjährigen Kind unterhaltspflichtig ist.

Die vom Gericht durchgeführte Interessenabwägung ergab jedoch, dass wegen der Pflichtverletzung des Arbeitnehmers das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiege. Infolgedessen wurde die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung für wirksam erachtet.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. April 2010 – 7 Sa 1418/10 –
Vorinstanz: Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2010 – 13 Ca 3479/10 –

Die Revision wurde zugelassen. Das Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht wurde unter dem dem Aktenzeichen 2 AZR 388/11 geführt und endete am 21. Juni 2012 durch Vergleich.

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Dr. Rainer Borgelt, Rechtsanwalt für Unternehmensrecht, Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, Versicherungsrecht, Zivilrecht

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Rechtsanwalt
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